Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
ebendort.
Und wie geht’s bei der Wagner’schen Druckerei weiter?
Verworren zunächst, da sowohl die wiedererstandene Republik als auch die Alliierten nach der Firma greifen. Es dauert bis Mitte der 50er-Jahre, ehe die Erben der Familie Buchroithner ihre Besitzansprüche an der Druckerei durchsetzen.
Und die Buchhandlung?
Die plagen andere Sorgen, was tun mit den Büchern, die ab 1. Jänner 1946 verboten sind? Anacker, Bartel, Baumann, Teuffenbach und Wenter, keines ihrer Bücher darf übern Ladentisch gehen, auch nicht Flieger, Funker, Kanoniere und der Pimpf im Dienst . Die vom Bundesministerium im Jänner 1946 herausgegebene „Liste der gesperrten Autoren und Bücher“ umfasst gut 2.000 Titel –
Was geschah damit?
Über das Schicksal dieser Bücher hätte eigentlich ein vom alliierten Rat gefordertes Literaturreinigungsgesetz entscheiden sollen, es trat aber nie in Kraft. In öffentlichen Bibliotheken erfolgte auch ohne Gesetz eine Säuberung, Bücher wurden zu Sammelstellen gebracht, wo sie die Österreichische Nationalbibliothek übernahm, vieles wurde eingestampft, einiges aufbewahrt. Die Ansicht, das österreichische Buchhändler-, Verlags- und Literaturleben habe dadurch mit der Vergangenheit gebrochen, straft ein von Milo Dor und Reinhard Federmann verfasstes Rundfunkmanuskript Lügen. Es ist bezeichnend, dass dieses Manuskript mit dem Titel NS -Parnaß in Österreich nicht vom Österreichischen Rundfunk, sondern vom Hessischen gesendet wurde, im Jänner 1952. Die drei Darsteller des von Dor und Federmann verfassten Radiostücks führen vor Augen, was man damals in der Auslage einer „repräsentativen“ Buchhandlung zu sehen bekam:
„Zuerst fallen uns die bunten Umschläge der dickleibigen Romane auf, die aus dem Englischen übersetzt sind. Erst in der nächsten Auslage entdecken wir einige Österreicher. Einen gleich mit sieben Büchern. Den Namen glauben wir zu kennen: Bruno Brehm.“
Bruno Brehm hatte sich ganz der Diktion der Nationalsozialisten verschrieben, in den „bunten historischen Schilderungen des Nationalen Buch-Preisträgers wird uns das Reich in seiner Weite, Größe und Schönheit vorgezaubert“, warb die Deutsche-Alpenverlag-Buchhandlung in der Maria-Theresien-Straße 15 in ihrer Weihnachtsbücherschau 1939. Zehn Jahre später erschien Brehms Kompilationswerk Im Schatten der Macht – Das Gift in der Geschichte im Stocker Verlag, 1961 erhielt Brehm den Peter-Rosegger-Preis.
Doch hören wir uns an, was Dor und Federmann noch finden: Zum Beispiel einen „Christus- Roman von Mirko Jelusich. Nazi-Burgtheaterdirektor, 1945 vor ein Volksgericht gestellt, geflüchtet, später, als die Gerichte die Nazigrößen schon liebenswürdiger behandelten, freigesprochen.“
Blieb die Buchhandlung in der Museumstraße die ganze Zeit über in Privatbesitz?
Ja, bis 2006. Noch 2003, gut 237 Jahre nach Erscheinen der Innsbrucker Ordinari Zeytung , geht die Buchhandlung mit der Gründung einer Zeitschrift das Wagnis ein, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Vier Jahre und sieben Ausgaben blieben dem Unternehmen, dann endet eine Geschichte, die am 11. Oktober 1639 mit der Erteilung der Gewerbekonzession durch Claudia de Medici an Michael Wagner begann. Es ist zugleich eine Geschichte, die der Stadt zum Spiegel wird, er zeigt ihr Aufblühen zum Handelszentrum und ihre Begeisterung, sich Ideologien anzuschließen. Bis hin zur Übernahme heimischer Firmen ist hier alles zu sehen. Inzwischen gehört der einst unterm Wahrzeichen Innsbrucks ansässige und bis 2006 in Familienbesitz stehende Betrieb einer Buchhandelskette, die sich die Muse der Komödie als Maskottchen ausgesucht hat. Es gibt Schlimmeres.
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Kennst du die Richard-Berger-Straße im Gewerbegebiet östlich von Innsbruck?
Nein, nie gehört!
Der Straßenname erinnert an Ingenieur Richard Berger, der mit seiner Frau Grete, geborene Weiss, und den Söhnen Walter und Fritz einst in der Anichstraße 13 wohnte.
Na, und?
Berger ist 1938 Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird er aus seiner Wohnung verschleppt und an den Stadtrand gefahren. Dort malträtiert man ihn zunächst mit Faust- und Pistolenhieben, „gebt mir einen Stein“, ruft plötzlich einer, dumpfe Schläge sind zu hören. „Bei der Zertrümmerung des Schädels des Berger hat mich ein derartiges Grausen gepackt, dass ich mich von ihm abgewendet habe“, sagt einer der Täter nach dem Krieg aus. Wahrscheinlich hatte er sich
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