Im Angesicht der Schuld
beauftragte s G utachten keinerlei Beweiskraft besitzt, bliebe mir nur die Hoffnung, dass sich der Richter diesem gegenteiligen Ergebnis nicht verschließt und Professor Kogler zur möglichen Ursache der Unterschiede befragt. Die Zeit, die ein solches Prozedere braucht, ist kein Problem, aber das Geld. Ich muss nämlich auch noch einen Anwalt bezahlen. Und das alles nur, weil der gute Professor Kogler so selbstherrlich und nicht bereit ist, einen Fehler einzuräumen. «
» Darüber haben Sie mit meinem Mann gesprochen? «
» Ich hatte gehofft, er hätte Einfluss auf seinen Freund und könne mir helfen. Er hat mir sogar versprochen, es zu vers u chen. Aber als ich an dem Montag bei ihm war, da hat er mir nur den Namen eines Anwalts gegeben. Er sei sehr gut und werde meine Sache sicherlich zu meiner Zufriedenheit vertreten. Dabei war ein neuer Anwalt das Letzte, was ich brauchte. Und das habe ich ihm auch zu verstehen gegeben. Aber Ihr Mann hat versucht, sich aus der Affäre zu ziehen, und nur etwas von einem Interessenkonflikt gefaselt. «
» Damit hatte er Recht. Er hätte Sie niemals in einer Sache vertreten können, die seinen Freund betrifft. «
» Wozu hat er mir dann überhaupt seine Karte gegeben? «
» Vielleicht sah er darin die einzige Chance, Sie an jenem Abend zu beruhigen. Ich habe die Szene nur aus dem Restaurant beobachtet, aber Sie wirkten sehr aufgebracht. «
» Wären Sie das etwa nicht, wenn behauptet wird, Sie würden sich irren, was den Erzeuger Ihres Kindes betrifft? In dem Moment dreht sich alles in Ihrem Kopf. So ein renommierter Scharlatan schafft es tatsächlich, das s S ie für ein paar Sekunden an sich zweifeln, dass Sie hinund herrechnen und überlegen, bis Ihnen klar wird, dass kein anderer Mann der Vater Ihres Kindes sein kann. Aber wenn das Wort von Professor Kogler, einer Koryphäe auf seinem Gebiet, gegen das von Barbara Overbeck, einer kleinen, unbedeutenden Personal Trainerin, steht, wem wird dann wohl geglaubt? Da kann Phillip seinem Vater aus dem Gesicht geschnitten sein –es spielt alles keine Rolle. «
» In welcher Verfassung war mein Mann, als Sie gingen? «
» Er konnte es kaum erwarten, mich loszuwerden. «
» Er erwartete noch jemanden «, entgegnete ich in dem Ve r such, ihn zu verteidigen.
Sie sah mich resigniert an. » Und dieser Jemand war eindeutig wichtiger als ich, die nur einen Interessenkonflikt heraufb e schwor. « Mit zusammengepressten Lippen wandte sie sich ab und setzte sich wieder ins Auto.
» Eine letzte Frage noch, Frau Overbeck. Sagt Ihnen der Name Tonja Westenhagen etwas? «
» Wer soll das sein? Vielleicht eine Leidensgenossin? Wenn ja, geben Sie ihr meine Adresse, dann können wir eine Interesse n gemeinschaft gründen. «
E igentlich hatte ich nach Hause fahren wollen, um mich um Jana zu kümmern, aber ich war zu aufgewühlt. So parkte ich mein Auto am Harvestehuder Weg und lief ein Stück an der Außenalster entlang. Der starke Wind trieb mir Tränen in die Augen, aber er tat mir gut.
Ich versuchte, meine Erinnerungen zu ordnen. An dem Freitag vor seinem Tod hatten sich Gregor und Joost am Telefon gestritten. Die ganze Zeit über hatte ic h a ngenommen, der Grund sei Joosts aktuelle Geliebte gewesen … die Frau vor dem Restaurant … Barbara Overbeck. Ich rief mir Gregors Worte noch einmal ins Gedächtnis: Nein, hatte er gesagt, ich werde meinen Mund nicht halten, Joost. Das kannst du nicht von mir erwarten. Während ich nebenan gesessen und an der Beurte i lung eines Aquarells gearbeitet hatte, war Gregors Stimme vom Wohnzimmer aus zu mir herübergedrungen. Bring das in Ordnung! Und: Nein, ich meine genau das, was ich gesagt habe. Und ich habe es gesagt, weil ich dein Freund bin. Ich könnte es mir auch sehr viel einfacher machen und meine Augen ve r schließen.
Mit einem Mal standen diese Worte in einem völlig anderen Licht. Wenn es nicht um Joosts Geliebte gegangen war, worüber hatten die beiden sich dann gestritten? Was sollte Joost in Ordnung bringen? Und worüber hatte Gregor seinen Mund nicht halten wollen?
Mir gegenüber hatte er ihn gehalten. Ich blieb stehen und sah aufs Wasser. Warum hatte Gregor mich glauben lassen, sein Streit mit Joost drehe sich um die aktuelle Geliebte seines Freundes? Weil er Joosts Vertrauen nicht missbrauchen wollte? Wenn das allerdings der Grund war, wie konnte er ihm dann gleichzeitig androhen, sein Schweigen zu brechen?
Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück zu meinem Auto.
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