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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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und landete auf dem Rücken direkt vor seinen Füßen. Als er sich hinunterbückte, spürte er einen stechenden Schmerz am Hinterkopf. Er fiel vornüber, direkt auf den hölzernen Corpus Christi zu. Jesus lächelte ihn an. Dann versank alles in Dunkelheit.

Zehn Tage vor der Auferstehung
     
     
    Di Lucca saß in seinem einfachen Zimmer in der Herberge der Bruderschaft vom Heiligen Kreuz in der Nähe von Kings Cross. Nur die Schreibtischlampe erhellte den Raum, und er hatte sich bis auf das Unterhemd und die Boxershorts ‒ das einzige, eitle Zugeständnis an die Mode, das er sich gestattete ‒ ausgekleidet. Das Zimmer war überheizt, und obwohl er das Fenster geöffnet hatte, schwitzte er. Der Schreibtischstuhl quietschte bei jeder Drehung, und er versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen, um seinen Geist nicht von diesem enervierenden Geräusch ablenken zu lassen. Die Untätigkeit, zu der er verbannt war, zerrte an seinen Nerven. Die Zeit verstrich, und sie waren immer noch keinen Schritt weiter. Derweil taten irgendwo hier in London die besten Wissenschaftler ihres jeweiligen Fachgebietes ihre Arbeit und trugen Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen Erkenntnisse zusammen, die am Schluss das Ende des Glaubens bedeuteten. Das wäre unweigerlich auch das Ende seines Lebens.
    Vor ihm auf dem Schreibtisch lag das mit dem päpstlichen Siegel verschlossene Kuvert, das so bald wie möglich in Hendersons Hände gelangen musste. Er nahm es wie eine kostbare, alte Urkunde in die Hand und legte es vorsichtig in eine edle, mit dem päpstlichen Wappen versehene Ledermappe. Wie oft waren in den vergangenen zweitausend Jahren päpstliche Emissäre unterwegs gewesen, versiegelte Urkunden im Gepäck, die ihren Empfängern genauso Tod und Verderben wie unbeugsame Macht oder unendlichen Reichtum bringen konnten. Diesmal lag der Fall anders. Das Schreiben des Papstes sollte eine Entwicklung aufhalten, die die Welt aus den Angeln heben würde.
    Henderson hatte sie bisher an der Nase herumgeführt. Er hatte seinen Fund unerkannt aus Israel herausgebracht und bewahrte ihn an einem unbekannten Ort auf. Er hatte das denkbar beste Expertenteam zusammengestellt. Er hatte die Männer und Frauen kaserniert und ihnen jede Möglichkeit genommen, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen - und damit auch ihre Quelle, ihre einzige Hoffnung auf Informationen versiegen lassen. Er hatte alle Trümpfe in der Hand und bestimmte das Spiel. Sie konnten nur warten. Nichts als warten.
    Di Lucca stand auf, was den Stuhl zu einem klagenden Ton veranlasste. Er ging zum Fenster. Dicke Regentropfen perlten an der Scheibe herunter und reflektierten die Lichter der vorbeifahrenden Autos. Auf der anderen Straßenseite hatte ein Paar in einem Hauseingang Schutz gesucht. Eng umschlugen standen sie einander gegenüber und küssten sich. Die Frau schmiegte ihren Kopf in die rechte Hand des Mannes, während seine Linke in ihren Regenmantel verschwand. Di Lucca schloss die Vorhänge. Er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Bis morgen Früh brauchte er einen Plan, der für jede Eventualität die richtige Antwort parat hatte. Noch wussten sie nicht, was Henderson tatsächlich gefunden hatte. Was auf den ersten Blick gefährlich aussah, konnte in Wirklichkeit eine kostbare Reliquie sein, die Ansehen, Macht und Einfluss der Kirche steigerte. In diesem Fall galt es, in ihren Besitz zu gelangen.
    Sollte aber das Unaussprechliche ans Tageslicht gekommen sein, vor dessen Auftauchen sich alle Päpste, Kardinäle, Bischöfe, alle Mönche und geistlichen Damen, alle Priester und alle Christenmenschen seit zweitausend Jahren fürchteten, gab es nur eine Lösung. Es musste zerstört werden, endgültig und unwiederbringlich. Und alle Menschen, die davon wussten oder die es gesehen hatten, mussten getötet werden.
    Mit einem tiefen Seufzer ließ sich di Lucca aufs Bett fallen. Die Entscheidung lag einzig und allein bei ihm. In diesem Fall war er der Herr über Leben und Tod. Henderson hatte ihm seine Aufgabe ohne es zu wissen erleichtert. Seine Geheimniskrämerei begrenzte den Kreis der Menschen, die dem Unaussprechlichen gegenübergestanden hatten oder von ihm wussten. Wenn nötig, konnte man sie mit einer, maximal zwei gezielten Aktionen beseitigen. Gott sei Dank hatte er auf sein Gefühl gehört und die Frau beschatten lassen.
    Die innere Unruhe, die ihn jedes Mal vor wichtigen Aktionen ergriff, trieb ihn erneut vom Bett. Er ging zum Schreibtisch und nahm das Fax in die

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