Im Auftrag der Liebe
unheimlich. In ihr war irgendetwas zerbrochen, wenn Sie verstehen. Rachel hatte ein gutes Herz und zeigte Verständnis für sie. Sie war sicher, dass Elena tief in ihrem Inneren ein guter Mensch war, auch wenn die offenbar ständig versuchte, das Gegenteil zu beweisen.«
»Wie das?«, erkundigte sich Sean.
»Suchen Sie sich etwas aus. Stehlen, betrügen, schlagen, andere schikanieren. Und die arme Jenny Thompson hat das meiste abbekommen. Elena hat einen furchtbaren Groll gegen sie gehegt.«
»Denken Sie, Elena hätte Rachel etwas antun können?«, wollte ich wissen.
»Ich möchte gerne glauben, dass sie Rachel dafür zu gern hatte. Aber ich hatte schon immer den Eindruck, dass Elena einfach auf jeden losgegangen wäre, der ihr in die Quere kam. Und das alles habe ich den Beamten von der State Police auch gesagt.«
Sean fragte: »Wurde sie offiziell verdächtigt?«
»Ich weiß es nicht. Der einzige Name, der erwähnt wurde, war der von Michael.«
Regentropfen rannen mir die Wirbelsäule hinunter. »Lebt Elenas Vater noch immer hier in der Gegend?«
»Er ist bei einem Brand ums Leben gekommen, als sie achtzehn war. Ansonsten hatte sie keine Familie mehr, soweit ich weiß.«
»Was haben Sie mit Rachels persönlichen Gegenständen gemacht?«, erkundigte sich Sean.
»Die habe ich eingelagert.«
»Hat die Polizei davon etwas mitgenommen?«
»Die haben nie nach ihren Sachen gefragt. Als wir damals die Vermisstenanzeige aufgegeben haben, sind sie alles durchgegangen, aber jetzt haben sie es sich nicht noch einmal angesehen.«
»Könnten wir einen Blick darauf werfen?«, bat Sean.
»Wozu?«, fragte sie.
Ich erklärte ihr meine Ring-Theorie. »Michael kann deshalb gar nicht der Täter sein. Und wenn er unschuldig ist …«
»Dann läuft Rachels Mörder noch immer frei herum.«
Ich nickte. »Genau. Vielleicht ist unter ihren Sachen irgendetwas, was uns in die richtige Richtung lenken kann. Wissen Sie zufällig, warum Rachel den Ring hatte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe wirklich keine Ahnung. Sind Sie sicher, dass Sie nicht doch etwas trinken möchten?«
Wir lehnten ab.
»Ich hole eben den Schlüssel für den Lagerraum«, erklärte Marilyn. »Ich weiß gar nicht genau, warum ich ihre Sachen überhaupt noch aufbewahre. Vermutlich habe ich innerlich doch gehofft, dass ich falschliege. Dass Rachel eines Tages wieder nach Hause kommen wird.« Sie zog einen Schlüssel aus einer Küchenschublade und reichte ihn Sean.
Ich presste die Hände ineinander. »Ich kann Ihnen nicht genug dafür danken, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Ich fühle mich … beinahe dafür verantwortlich, wie es jetzt weitergeht.«
Sie nahm mich in den Arm. »Danke für alles, was Sie bereits getan haben. Jetzt kann ich Rachel wenigstens angemessen bestatten.«
»Wenn wir irgendetwas finden sollten«, sagte Sean, während er die Tür öffnete und wir sahen, dass es nicht mehr regnete, »melden wir uns bei Ihnen.«
»Warten Sie«, bat sie und griff nach meiner Hand.
Bilder wirbelten durch meinen Kopf. Ich schwankte und hielt mich am Türpfosten fest.
»Wenn Sie Rachels Sachen durchgehen und dabei ein kleines, mit Steinen besetztes Schmuckkästchen finden, könnten Sie mir das dann mitbringen? Als ich alles verstaut habe, konnte ich es nicht finden. Das Kästchen habe ich ihr mal geschenkt, und ich würde es gerne behalten.«
Die Bilder führten mich an Straßen entlang, durch enge Gassen, über Bahnschienen und schließlich zu einem gelben Häuschen. Auf einem Nachttisch neben einem riesigen Doppelbett stand eine kleine, mit Steinen besetzte Schatulle.
»Das machen wir«, versprach Sean.
Ich löste meine Hand und presste sie mir an die Brust. Die Bilder lösten sich auf.
»Ruth Ann hat mir geholfen, das Kästchen als Geschenk zu Rachels Highschool-Abschluss auszusuchen. Ich hoffe, sie hat es aufbewahrt. Ich würde es Ruth Ann so gerne geben. Vielleicht werden dann ein paar Erinnerungen wach. Alles in Ordnung, Schätzchen?«, fragte mich Marilyn. »Sie sind auf einmal ganz blass.«
»Ja, es geht mir gut, danke. Wir bleiben in Kontakt.«
Sobald wir zur Tür hinaus waren, legte Sean den Arm um mich. »Was war denn da drin los?«
»Ich habe das Kästchen gesehen. Und es war nicht im Lagerhaus.«
◊ 20 ◊
W ie konntest du denn das Kästchen sehen, wenn es Rachel gehört hat?«, fragte Sean.
»Es war ein Geschenk von Marilyn. Bei Geschenken kann ich über beide Beteiligten Informationen erhalten. Genauso war es
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