Im Auftrag der Liebe
Strom gibt, sind ihre Handys inzwischen sicher auch aus.«
»Genau. Ich habe jemanden dafür bezahlt, sie aufzuspüren und ihnen eine Nachricht zu übermitteln. Sie sollen so schnell wie möglich ihre E-Mails checken und sich bei dir melden.«
»Ihre E-Mails?«
»Ich habe ihnen den Link vom Herald geschickt. Die haben die Story ganz groß auf ihrer Webseite.«
»Na toll.«
Im chaotischen Verlauf des Morgens hatte ich einen Moment Zeit gehabt, um Raphael anzurufen, der heute mal lange im Bett geblieben war und die Zeitung noch gar nicht gesehen hatte. Auszuschlafen sah ihm gar nicht ähnlich, daher hatte ich mich gefragt, ob er wohl alleine war.
Und diese Frage würde mich wohl auch weiterhin beschäftigen, denn so etwas konnte ich ihn nie fragen. Zuerst war er über den Artikel entsetzt gewesen, dann wütend, dann hatte er geflucht, wie ich es noch nie bei ihm erlebt hatte – sowohl auf Spanisch als auch auf Englisch. Er hatte bei mir vorbeischauen wollen, aber ich hatte ihm versichert, dass mit mir alles in Ordnung sei. Schließlich hatte er nachgegeben, aber nicht ohne Preston Bailey noch mit einigen weiteren Kraftausdrücken zu bedenken.
Und ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Preston erntete heute vermutlich ihre Lorbeeren, während mein Leben aus den Fugen geriet.
Ich ballte die Hände zu Fäusten. In mir brodelte die Wut und rüttelte an meinen Rippen wie ein Gefangener, der seiner Zelle entkommen will. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu entspannen.
Acht mal sechs gleich achtundvierzig.
Die Quadratwurzel aus vier ist zwei.
Zehn hoch zwei gleich hundert.
Besser. Aber nur ein bisschen. Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass ich nachtragend sei, aber das galt wohl nicht bei neugierigen Reporterinnen.
»Willst du mir etwa eine reinhauen?«, fragte Sean.
Ich schlug die Augen auf. »Was?«
Mit einer Kopfbewegung deutete er auf meine geballten Fäuste. »Willst du mir eine reinhauen?«
Ich löste die Finger und streckte sie. »Dir doch nicht.«
»Vielleicht würde dich das aufmuntern.«
Ein bisschen Sex würde mich auch aufmuntern. Ich fragte mich, ob er dazu wohl bereit wäre.
Therapeutischer Sex. Vielleicht gar keine schlechte Idee.
»Tut mir leid«, sagte er, als hätte er meine Gedanken gelesen.
»Was denn?«, fragte ich. Vielleicht hatte er ja auch übersinnliche Fähigkeiten? Lehnte er damit das Angebot ab, das ich ihm noch gar nicht unterbreitet hatte?
»Dass du das alles durchmachen musst.«
Mein Herz überschlug sich geradezu. Warum machte er es mir so leicht, ihm Hals über Kopf zu verfallen? »Danke.«
Vor dem riesigen Wohnkomplex für Rentner nahe der Route 18, nicht weit entfernt vom South Shore Hospital, bog Sean in den Parkbereich ein. Wir fanden ein Plätzchen, und Sean stellte den Motor ab. Der Regen klopfte melodisch auf das Dach des Wagens, als er sich mir zuwandte.
Bevor ich etwas dagegen tun konnte, hatte er schon mein linkes Handgelenk umfasst.
»Was machst du da?«, fragte ich. Ich war eher neugierig als irgendetwas anderes.
»Was passiert, wenn du mich berührst?«
Mein Mund war plötzlich trocken wie ein Wattebausch. »P-passiert?«
»Siehst du dann irgendetwas, was ich verloren habe?« Mit leichtem Druck drehte er meine Hand um, mit der Handfläche nach oben. Die Wärme seiner Finger prickelte auf der Haut.
»Ich habe noch nie etwas gesehen, was du verloren hast.« Okay. Das war schließlich keine Lüge.
Mit der anderen Hand zeichnete er die Umrisse meiner Finger nach, wie ein kleines Kind, das einen Thanksgiving-Truthahn malt. Er berührte mich überall, nur nicht an der Handfläche, die unangenehm kitzelte.
»Bekommt bei dir jeder eine gewischt?«, fragte er.
»Nein, das mit dem elektrischen Schlag ist nicht normal.« Wasser! Ich brauchte Wasser! »Das passiert nur bei dir.«
»Dann muss ich ja jemand ganz Besonderes sein.«
Ich konzentrierte mich auf seine Lippen, auf mein Verlangen. »Das musst du wohl.«
»Aber du siehst doch etwas, wenn du mich berührst.«
»Nein.« Ich starrte immer noch auf seine Lippen. Wie sie sich bewegten, wenn er sprach. Wie seine Zunge gegen die Zähne stieß. Wie sehr ich mich zu diesem Mund hingezogen fühlte.
»Lügnerin«, sagte er sanft und lehnte sich zu mir vor. »Was siehst du, Lucy?«
Ich konnte kaum noch an mich halten, als seine Finger meine Handfläche entlangfuhren.
Die Bilder kamen langsam und träge. Lippen. Ein Bett.
»Nichts«, wiederholte ich und schloss angesichts dieser Lüge die
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