Im Auftrag der Lust
nicht mehr. Anfangs hatte er noch geglaubt, es läge daran, dass er der ältere Bruder ihrer verstorbenen Freundin war. Dann aber hatte sich herauskristallisiert, dass es um mehr ging. Ihre gescheiterte Ehe hing damit zusammen, aber am meisten ging es dabei um ihr ganz persönliches Projekt: die Agentur Petite Mort.
Nach der Scheidung hatte sie sich zurückgezogen, aber nicht lange. Sie hatte genauso reagiert wie zu der Zeit nach Annies Tod. Sara hatte sich Zeit genommen zu trauern, wieder zu sich selbst zu finden, und war dann umso entschlossener ins Leben zurückgekehrt. Sie hatte sich ganz dem Aufbau ihrer Agentur verschrieben. Kein billiger Escort Service oder gar ein Bordell, das war ihr damals klar gewesen, und sie hatte Alan in langen Nächten so lange überredet, bis auch er vor Begeisterung nicht mehr an sich halten konnte und sie unterstützt hatte.
Er war immer an ihrer Seite gewesen, ein Freund, der da war, als sie ihn brauchte, und sie hatte es ihm gedankt, indem sie ihn so weit in ihr Herzprojekt und ihr Leben eingebunden hatte, wie sie es sonst keinem anderen Menschen gestattet hätte.
Sara wollte Wünsche erfüllen. Sie wollte Träume wahr machen, und in zwei mühevollen und anfangs sehr steinigen Jahren hatte sie es geschafft. Alan, der schon zuvor ab und an als Callboy gearbeitet hatte, hatte die Leute und erste Kunden rekrutiert. Sara hatte sich um den Aufbau der Agentur und alles Weitere gekümmert und organisiert. Sie blühte auf, und ebenso tat es ihr Baby. Die neue Agentur sprach sich herum und konnte erste Erfolge verbuchen. Bald konnten sie die ersten Kredite von Freunden zurückzahlen und auf eigenen Beinen stehen.
Ihm hatte es gutgetan zu sehen, wie ihre gemeinsame Aufgabe wuchs und sich entwickelte, aber mehr noch hatte er es genossen, dieses Strahlen zu sehen, wann immer er Sara anschaute. Seit gestern war dieses Strahlen merklich dunkler geworden, und Alan fürchtete, dass Sara es ganz verlieren könnte. Das konnte er nicht zulassen. Um keinen Preis.
Alan stöhnte leise und verschränkte die Hände im Nacken. Immer wieder zermarterte er sich das Hirn, wie er Sara und damit auch seiner eigenen Agentur helfen konnte, aber seine Gedanken drehten sich im Kreis. Entweder brauchten sie viel mehr Zeit oder auf einen Schlag verdammt viel Geld. Viel zu viel Geld. »Mr Evans?«, ertönte die Stimme der Sekretärin scheppernd aus der Gegensprechanlage. Alan wandte sich von dem Bild ab, auf das er gestarrt hatte, ohne es wirklich zu sehen, und ging zurück zum Schreibtisch.
»Ja, Mrs Poultry?«
»Hier ist jemand, der Sie oder Mrs McLaughlin sprechen möchte.«
Alan sah auf, runzelte aber die Stirn, als ihm einfiel, dass er vor die Glastüren des Büros die Jalousien heruntergelassen hatte, um nicht gestört zu werden. »Haben Sie auch einen Namen für mich?«, fragte er.
»Er sagt, es sei recht dringend.«
Alan seufzte lautlos und ließ sich in den Sessel fallen. »In Ordnung, schicken Sie ihn einfach rein, Mrs Poultry.«
Einige Sekunden später wurde die Tür des Büros geöffnet. Mrs Poultry erschien, und hinter ihr betrat ein hochgewachsener Mann den Raum. Er hatte hellblondes zurückgekämmtes Haar. Sein Gesicht war fein geschnitten, und die Blicke aus seinen grauen Augen wanderten wachsam durch den Raum. Unter dem teuer aussehenden anthrazitfarbenen Anzug ließen sich breite Schultern und ein sportlicher, schlanker Körper erahnen. Die hohen Wangenknochen verliehen seinem Gesicht etwas Filigranes. Der Eindruck wurde noch durch die langen Wimpern verstärkt, der kantige Kiefer verhinderte, dass er weibisch wirkte. Alan kannte sich mit solchen Gesichtern aus – Frauen fielen ihnen reihenweise zum Opfer, als leichte Beute.
Er erhob sich und streckte dem Neuankömmling die Hand entgegen. »Guten Abend. Mein Name ist Alan Evans, ich bin der begleitende Geschäftsführer der Agentur. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
Der Mann drückte Alans Hand angemessen fest. Seine Finger waren außergewöhnlich schlank und gepflegt. »Guten Abend, Mr Evans. Ich danke Ihnen, dass Sie Zeit für mich haben. Ich bin ein ganz besonderer Bewunderer Ihrer Arbeit und der Arbeit von Mrs McLaughlin.«
Alan lächelte, aber es war nicht ganz ehrlich. »So etwas hört man selten. Anscheinend haben Sie sich schon länger mit unserer Arbeit beschäftigt?«
»Das habe ich. Und genau aus dem Grund bin ich hier.«
Alan deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, und der Fremde setzte sich. Alan nahm im Sessel
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