Im Auftrag der Lust
ziehen und nichts mehr zu sehen und zu hören. Egal, wohin sie sich wandte, alles löste sich in einem riesigen Scherbenhaufen auf, sobald sie es berührte. Das Geld für die Rettung ihrer Agentur fehlte, sie hatte sich mit Jared gestritten, und Alan … Sara kniff die Augen zusammen, als könnte sie somit auch jede Erinnerung an Alan aussperren, aber es gelang ihr nicht. Nur zu deutlich sah sie sein verletztes Gesicht vor sich, die Resignation darin und den Unglauben.
Auch wenn sie wusste, dass sie im Recht war, schmerzte sie seine Reaktion. Er hätte ihr nicht nachfliegen dürfen und sich in einem solchen Lügengebilde verstricken sollen. Wenn seine Gefühle für sie zu solchen Situationen führten, war es vielleicht besser, wenn er sich für eine Weile von ihr fernhielt. Irgendwann würde sich das doch hoffentlich wieder beruhigen. Das zumindest versuchte sie sich einzureden. Aber es funktionierte nicht.
Irgendwann wurde es unter der Decke zu warm, und Sara musste wohl oder übel doch aufstehen. Im Bad mied sie den Spiegel, so gut es ging, und zog sich passend für das noch immer verregnete New Yorker Wetter an. Während ihrer Fahrt zum Büro betrachtete sie die Hochhäuser, die vorbeieilenden Menschen mit den Regenschirmen und den hochgeklappten Kragen, die schnellstmöglich der Nässe entkommen wollten. Bei diesem Anblick wirkte Frankreich so fern, fast, als hätte es diese Tage unter der Sonne niemals gegeben.
Die melancholische Stimmung ließ sich einfach nicht abschütteln. Auch nicht, als Sara das Büro betrat. Die Sekretärin Mrs Poultry begrüßte sie mit einem knappen, aber freundlichen Nicken. »Wie schön, dass Sie wieder da sind, Mrs McLaughlin.«
Sara erwiderte ihren Gruß. »Hab ich viel verpasst?«, wollte sie wissen.
»Nichts Wichtiges, ich habe mich um alles gekümmert. Die aktuelle Post liegt auf Ihrem Schreibtisch und …«
Zum ersten Mal sah Sara die gestandene Dame zögern. »Und was?«, hakte sie nach.
Mrs Poultry schob unbehaglich einige Papiere zusammen. »Mr Evans hat Ihnen einen Umschlag dagelassen.«
Sara spürte, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich. »Hat er gesagt, warum?«
»Es hing wohl mit seinem Abschied zusammen.«
Sara murmelte einen Dank und ging gerade schnell genug in ihr Büro, dass es nicht aussah, als würde sie rennen. Sie lief zum Schreibtisch, und tatsächlich, neben dem Stapel der ungeöffneten Post fand sie einen großen Umschlag. Sara konnte ihn nicht gleich öffnen – Abschied, hatte Mrs Poultry gesagt, Abschied. Dieses Wort hallte immer wieder in ihrem Kopf nach, aber es konnte unmöglich wahr sein.
Alan konnte nicht einfach so aus ihrem Leben verschwinden. So etwas durfte nicht wahr sein. Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Umschlag und öffnete ihn. Als sie den Inhalt herausholte, schossen ihr Tränen in die Augen: Alan hatte ihr sämtliche Anteile an der Agentur überlassen.
Diese wenigen Blätter sagten alles. Sara war nun die alleinige Besitzerin der Agentur, Alan hatte alle Brücken zu ihr abgebrochen. Er war fort.
Stunden später lag Sara wie erschlagen auf ihrer Couch. Ihre Augen waren rot geweint und sie selbst erschöpft. Keine einzelne Träne war mehr in ihr, aber sie wollte weinen, noch viel mehr. Sie wusste einfach nicht, wie sie ihren Schmerz sonst loswerden konnte. Doch ihr Körper verweigerte ihr das. So lag sie einfach eingerollt auf ihrer Couch, versuchte, jeden Blick auf die Agentur-Anteile auf ihrem Tisch zu vermeiden, aber schließlich wanderten ihre Blicke doch immer wieder dorthin. Sie konnte einfach nicht ertragen, sie anzusehen.
Das letzte Mal hatte sie sich so gefühlt, als ihre beste Freundin Annie gestorben war, aber damals war Alan an ihrer Seite gewesen. Sie hatten den Schmerz geteilt, irgendwie hatte er es damals geschafft, sie zu stützen, bis sie wieder am Leben teilnehmen konnte. Diese gemeinsame Zeit hatte sie auch derart fest zusammengeschweißt. Seitdem war er immer da gewesen.
Und plötzlich war alles anders. Die Dinge hatten sich verändert, und ein Teil von Sara wollte über diese Tatsache schreien, brüllen und mit den Fäusten gegen die Wand trommeln. Aber alles, was sie tun konnte, war, hier zu liegen und zu versuchen, sich wieder zu sammeln.
Das Telefon klingelte, wie schon mehrmals zuvor an diesem Tag, aber einmal mehr ignorierte Sara es. Der Anrufbeantworter sprang an, aber niemand sprach. Sie hörte nur das Tuten eines aufgelegten Hörers. Sie schloss die Augen und zog die Decke bis zur
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