Im Auftrag der Rache
dabei ihre restlichen Gutscheine, während sie frische Schlürfeier von den städtischen Festständen verzehrten.
Er bedauerte es, dass er heute nicht bei ihnen sein konnte. Coya hatte sich sehr darauf gefreut, diesen Tag mit seiner Familie zu verbringen und wenigstens für kurze Zeit alles andere zu vergessen.
»Der Zekiké-Tag«, verkündete Glaub plötzlich, als ob er jetzt erst die Drachen und vollen Strände bemerkt hätte. »Das hätte ich ja fast vergessen.«
Coya zuckte die Schultern. »Das war zu erwarten, denn schließlich seid Ihr Khosier.«
»Wir feiern den Mann ebenfalls, wenn auch nicht so leidenschaftlich wie ihr Fanatiker hier im Westen.« Er sagte es leichthin, aber während er sprach, beobachtete er die fernen Feierlichkeiten mit etwas Unausgesprochenem im Blick – vielleicht einer Art von Verlangen. Coya konnte sich kaum vorstellen, wie es für diesen Mann und den Rest der Bevölkerung von Bar-Khos sein mochte, stetig hinter Mauern zu leben, während sie andauernden Angriffen und Bombardierungen ausgesetzt waren und Tag und Nacht um ihre Auslöschung fürchten mussten.
»Ich habe nur einen Scherz gemacht, Marsalas. Es ist schließlich nicht so, als ob Ihr nicht schon genug am Hals hättet.«
Der General richtete sich auf und räusperte sich. Als er Coya ansah, war es wie ein Blick von einer einsamen Höhe zur anderen. »Auch für Euch muss es schwer sein. Bestimmt erwartet Euer Volk eine Menge von Euch. Ihr seid schließlich ein Abkömmling des großen Philosophen.«
»Diese Bürde ist wohl kaum mit der Euren vergleichbar.«
Coya wollte das Thema wechseln, denn er redete nicht gern über seine berühmten Vorfahren, deren Linie bis zum spirituellen Vater der Demokras zurückreichte. Er schaute hinunter auf die vielen Kriegsschiffe im Hafen und wurde daran erinnert – obwohl er diese Erinnerung kaum nötig hatte –, dass die mhannischen Flotten hierher unterwegs waren.
»In diesem Jahr wird die Revolution hundertzehn Jahre alt«, bemerkte Coya. »Es ist hundertzehn Jahre her, seit wir den Großkönig und die Adligen gestürzt haben, die geglaubt hatten, sie könnten diesen Ort einnehmen. Aber manchmal, wenn ich allein und nicht ganz so hoffnungsvoll bin, wie ich sein sollte, frage ich mich, ob unser Traum von der Demokras noch lange Bestand haben wird.«
»Die Freien Häfen sind noch nicht besiegt.«
»Aber sie werden es bald sein, Marsalas. Wir halten nur noch mit knapper Not durch. Die Mhannier kappen unsere Handelsrouten in die Außenwelt, so dass wir andauernd kurz vor dem Verhungern stehen. Zanzahar ist unser einziger Lebensfaden und beutet uns nach Herzenslust aus. Bar-Khos kann die Verteidigungslinien im Osten kaum aufrechterhalten, und die Flotten der Liga schaffen es nur unter größter Mühe, die Seeseite zu schützen. Und durch unseren gemeinsamen Widerstand werden wir mit jedem Tag zu einer größeren Bedrohung für das Reich und seine Vorherrschaft. Wegen uns wacht die Welt jeden Morgen mit dem Wissen auf, dass es noch andere Arten zu leben gibt als die von Mhann. Deswegen hasst uns das Reich so sehr. Und deswegen wird es keine Ruhe geben, bis es uns besiegt hat oder selbst am Ende ist – und Mhann wirkt nicht gerade so, als würde es bald untergehen.«
»Aber so etwas ist schon oft passiert. Große Reiche wurden durch den Widerstand, den sie erfahren haben, auf sich selbst zurückgeworfen und geschwächt. Es kann wieder passieren.«
»Ja, natürlich. Doch selbst wenn das geschehen sollte, frage ich mich, ob die Ideale der Demokras überleben werden. Oder werden wir für unseren Sieg einen zu hohen Preis bezahlen?«
»Nach den Jahren des Schwertes hatten wir uns im Frieden eingerichtet. Das können wir wieder tun.«
»Wir haben uns eingerichtet, weil unser Sieg gleichzeitig unsere Rache war. Wir waren zufrieden, weil der Adel gestürzt war. Und selbst dann war die Errichtung der Demokras eine knappe Sache. Solche Zeiten des Übergangs sind immer riskant, Marsalas.«
Glaub hörte mit ausdrucksloser Miene zu. »Ich habe unsere Gespräche vermisst«, verkündete er plötzlich, und Coya konnte ihm nur zustimmen. Er nahm einen Schluck Chee und entspannte sich bei den sanften Bewegungen des Schiffes.
»Habt Ihr Neuigkeiten gehört?«, fragte Glaub ihn. »Irgendwelche Bewegungen in Q’os?«
Coya stieß einen Schwall warmer Atemluft aus. »Unsere Agenten konnten bisher nicht in Erfahrung bringen, wann und wo die Invasion stattfinden soll. Sie scheint im Augenblick das
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