Im Auftrag der Rache
sonst? Die Zeit wird knapp. Ihr müsst wissen, dass ich nicht die Absicht hege, mich zum Diktator zu machen.«
Coya schüttelte den Kopf. »Das hätte ich sowieso niemals angenommen. Dennoch …« Coyas Stimme versagte, während sein Mund noch offen stand.
Marsch sah zu ihm herüber. Etwas an der Haltung des Mannes hatte sich verändert. Er zeigte Anzeichen einer plötzlichen Wachsamkeit, die Coya nicht bemerkt hätte, wenn er den Mann nicht schon so lange kennen würde.
»Ich bin mir sicher, dass Eure Worte wohlwollend aufgenommen werden«, fuhr er fort, als Glaub seinem Blick folgte. Nun sahen sie beide Marsch an. Die Hände des Leibwächters griffen unter dem braunen Ledermantel nach etwas, das sich auf seinem Rücken befand. »Ihr habt nichts von mir zu befürchten. Ihr seid weise genug, um Euch nicht von einer solchen Macht zugrunde richten zu lassen. Außerdem kennt Ihr die Konsequenzen gut genug …«
Coya blinzelte überrascht, als Marsch eine Pistole hob und damit auf die Mannschaft zielte.
Das Knallen eines Schusses durchfuhr ihn. Entsetzt starrte er seinen Leibwächter an, der wie ein Duellant mit vorgestrecktem rechten Bein dastand, die andere Hand noch unter dem Mantel verborgen haltend, während eine Rauchwolke aus dem Lauf der erhobenen Pistole aufstieg und vom Wind aufgelöst wurde. Coya folgte der Richtung, in die die Waffe wies, und bemerkte einen Mann, der rücklings auf das Deck fiel, während die Matrosen um ihn herum erstaunt aufschrien und in Deckung sprangen. Das Opfer war ein Mönch – einer von den beiden, die an Bord gekommen waren, um dieses erhabene Treffen zu segnen.
In der Nähe löste sich ein zweiter Schuss, der laut genug war, sein Herz zum Zerschmettern zu bringen. Glaub rief etwas zur Seite, als Splitter an ihnen vorbeiflogen.
Schwarzer Rauch legte sich dort, wo sie standen, über die Reling. Coya bemerkte gerade noch, wie der zweite Mönch auf sie zusprang und etwas Rundes und Schwarzes in der Hand hatte. Marsch zog eine weitere Pistole aus seinem Mantel und schoss, bevor der Rauch sie vollkommen einhüllte. Dann wurde Coya zu Boden geschleudert, während sich ein schweres Gewicht auf ihn legte, und ein weiterer Schlag schien ihm die Gedärme aus dem Leib zu quetschen.
Als sich der Rauch verzog, stand Marsch noch immer da. In seinen Händen befand sich jetzt nur noch ein Messer. Er drehte sich gerade um und sah dem Mönch nach, der über die Reling sprang.
Coya keuchte auf, als der Mann in der Tiefe verschwand.
»Ist alles in Ordnung mit Euch?«, fragte Glaub und hielt ihn noch eine Weile am Boden fest, bevor er Coya wieder auf die Beine half.
Coya fand die Stimme wieder. »Ich glaube, es geht mir gut«, sagte er, als er sich unbeholfen nach seinem Stock bückte. »Und was ist mit Euch?«, fragte er und sah den General an, während er sich schwer auf den Stock stützte. »Ihr scheint am Kopf zu bluten.«
Glaub betastete seinen Kopf an der Stelle, wo es karmesinrot aus einer Fleischwunde tropfte. Der General runzelte die Stirn und warf einen Blick über die Reling. Auch Coya war neugierig.
Unter ihnen – weit unter ihnen – segelte ein Baldachin aus Weiß auf die Meeresoberfläche zu. Als der Wind ihn auf die Küste zutrieb, sah Coya den Mann, der darunter baumelte. Das Orange seiner Robe war deutlich zu erkennen.
»Diese Diplomaten«, sagte Glaub und schüttelte den Kopf in offenbarer Faszination, »werden jedes Jahr verrückter.«
Kapitel vier
Das Haus in der T empostraße
Während ihre Schreie ihnen noch in den Ohren klangen, lagen sie schwitzend und keuchend da, ausgestreckt wie Märtyrer auf dem durchweichten Bett, und ihre Körper glitzerten im Tageslicht, das durch die fadenscheinigen, muffigen Vorhänge aus festlicher Spitze vor dem offenen Fenster hereindrang.
Bahm blinzelte, damit er wieder einen klaren Blick bekam. In der Luft über dem Bett tanzte Staub wie im Spiel, aufgewirbelt durch die wilden Bewegungen der letzten Stunde.
»Wir machen zu viel Lärm«, murmelte sie neben ihm, aber ohne große Besorgnis in der Stimme, während ein Kinderschrei durch die dünnen Bodendielen heraufdrang und Stimmen hinter der noch dünneren Wand zu ihren Köpfen murmelten.
Bahm konnte nur noch keuchen und wartete darauf, dass sein galoppierendes Herz sich beruhigte. In ihm brannte es, und er trat das Laken weg, das sich um seine Fußgelenke gewickelt hatte. Dann wischte er sich das stoppelige Gesicht trocken und bemerkte, dass er heute Morgen vergessen hatte,
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