Im Auftrag der Rache
eigenen Namen für diesen Ort.
Sie nannten ihn Bilgenstadt.
Asch lächelte freudlos und wunderte sich über die Ironie des Schicksals.
Es stank nach Abwässern und verwesendem Fisch. Er suchte sich einen Weg an den Felsen vorbei und ging das Risiko ein, sich den Hals zu verzerren, indem er zur Spitze des Felsens hochschaute. Seevögel schwebten in den Luftströmungen über den Villen der Michinè, wo Gärten über den Rand der Kalkfelsen hingen. Dort oben hatten einst Könige gelebt. Tausend Jahre lang hatten sie mit ihren Familien und dem Hof im Blassen Palast gewohnt und von hier aus über ganz Khos geherrscht.
Asch rutschte über irgendetwas aus und konnte sich gerade noch fangen. Er schaute hinunter auf einen verfaulten Apfel, der von einem der Bäume hoch droben heruntergefallen war und nun platt und braun unter seiner Schuhsohle klebte. Eine Bö trieb ihm den Regen ins Gesicht. Asch zitterte.
Er begab sich zum Rand der Klippen, wo das Land steil zum Ufer hin abfiel und sich noch mehr Baracken aneinanderdrängten als sonst wo. Die Kiespfade wanden sich zwischen kleinen und verwitterten Gebäuden hindurch, lehnten sich Schutz suchend gegeneinander und hingen überall an den Hängen bis hinunter zu den Klippen. Sogar in den Vertiefungen des Kalksteins waren Hütten errichtet worden, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen waren. Hoch über ihnen waren Höhlen in den Fels gebohrt worden, die durch Leitern und Gerüste miteinander verbunden waren.
Er schritt über einen Pfad, der zwischen den Baracken hin und her und wieder an einem zweistöckigen Haus vorbeiführte. Unter Planen hingen Frauen Wäsche zum Trocknen auf; sie hatten Kopf und Schultern in Schals gewickelt, und ihre Gesichter waren vom Wind gerötet. Drinnen schrien kleine Kinder. Straßenjungen jagten hinter Hunden her, sprangen ausgelassen zu seltsamen Liedern herum oder kämpften an den Hängen mit bauchigen Wasserschläuchen gegeneinander. Er bemerkte, dass es hier weniger Männer als Frauen zu geben schien.
Schon kehrten die Kopfschmerzen zurück, trotz der Blätter, die noch in seinem Mund steckten. Sein Blick verschwamm in einer Art Nebel, und Asch blinzelte heftig, damit er wieder klar sehen konnte. Er kaute noch mehr Dulce-Blätter und stand eine Weile da, bis er seine Umgebung deutlicher wahrnahm. Aber der Schmerz blieb und stach ihm im Rhythmus des Herzschlages in die Stirn. Allmählich wurde ihm übel.
Er hielt einen Einwohner dieses Viertels an – einen alten, hungrig aussehenden, grauhaarigen Mann, der einen Strohschirm trug – und fragte ihn, wo es eine Unterkunft und etwas zu essen gab. Der alte Mann sah ihn neugierig an, aber er war sehr hilfsbereit. Asch folgte seinen Anweisungen und kletterte weiter bergan.
*
Der Hochsitz war ein baufälliges Etablissement, das auf einem schmalen Vorsprung der Felswand stand. Das Zeichen über der Tür schwang knarrend im Wind und war genauso alt und heruntergekommen wie der Rest des langen und schmalen Gebäudes. Das abblätternde Schild zeigte eine Ratte, die auf einem im Meer treibenden Fass hockte und vor Anspannung den eigenen Schwanz zwischen die Zähne geklemmt hatte.
Rauch stieg aus dem Hauptkamin der Taverne auf. Von drinnen drang Gelächter heraus.
Asch stieß die Tür auf und betrat den Schankraum. Ein Regenschauer folgte ihm, und das Laternenlicht in dem kleinen, verräucherten Raum flackerte an den Wänden. Einige Köpfe drehten sich nach dem neuen Gast um.
»Tür zu!«, rief ein fetter, kahlköpfiger Mann mit dicken, tätowierten Armen, der hinter der Theke stand. »Du lässt die ganze Kälte herein, Mann!«
Asch drückte die Tür zu, die verzogen war und kaum mehr in den Rahmen passte, und schüttelte seinen Mantel aus. Eine Pfütze sammelte sich um seine Füße und durchtränkte das Stroh, das den Boden bedeckte. Es war heiß in diesem engen Raum. Ein Feuer knisterte unruhig im Kamin. Asch nahm seinen Hut ab und trat auf die Theke zu, wobei er eine Spur aus Wasser hinter sich herzog.
Der Eigentümer spielte gerade Ylang mit einer Frau, die auf einem Hocker vor ihm saß und ein gelangweiltes Gesicht zog. Der Mann bewegte einen seiner schwarzen Steine über das Spielfeld und sah zu Asch auf.
»Was willst du haben?«, fragte er.
»Cheemfeuer, wenn du welches hast.«
Sein Blick hellte sich auf. »Du hast Glück. Ich habe vermutlich den letzten Vorrat in der ganzen Stadt.«
Die Flaschen waren hinter der Theke in einer Truhe versteckt, die an den Boden gekettet war.
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