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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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hohen Lagerhäusern. Ein halbes Dutzend Luftschiffe lagen mit leeren Ballons am Boden vertäut, und Reparaturmannschaften schwärmten um sie herum.
    Als das Torhaus näher kam, hörte er durch den Verkehrslärm hindurch noch etwas anderes. Es war der ferne Kampf am Schild. Alle konnten es hören, und alle versuchten durch das Nadelöhr bei den offenen Toren zu gelangen, wo jeder Karren von Soldaten durchsucht wurde, bevor er weiterfahren durfte.
    Asch wurde ohne Überprüfung in die Straßen der Stadt gespült.
    *
    Regen setzte ein, als er auf dem Weg zum Mittelpunkt der Stadt war. Das Leben schien trotz des fernen Artilleriefeuers seinen gewohnten Gang zu nehmen, aber die Atmosphäre war hitziger und angespannter als früher. Mehrmals kam er an Personen vorbei, die vor Wut andere anschrien.
    Mit dem Geld aus seinem Beutel kaufte er sich eine Papierschale voller Reis bei einem Straßenhändler und aß gierig im Gehen. Er schritt durch das Viertel der Gilden, dann durch das der Barbiere und gelangte schließlich auf eine breite Hauptstraße, die die Straße der Lügen genannt wurde. Hier war weniger los als früher. Die Menschen eil ten mit ihren Papierschirmen umher oder suchten Schutz unter den tropfenden Traufen und beobachteten ernst die vorbeirollenden bedeckten Wagen, in denen sich verwundete und tote Soldaten befanden.
    Auf einem kleinen Basar kaufte sich Asch einen Ölmantel und einen breitkrempigen Hut aus gewebtem Stroh, den er bis zu den Augen hinunterziehen konnte. Nachdem er nun gegen das Wetter gewappnet war, suchte er eine Apotheke auf, denn unter den schweren Wolken war die Luft drückend geworden und verursachte ihm wieder Kopfschmerzen. Er hörte die Erleichterung in der eigenen Stimme, als er in dem Laden zweier Brüder in einer schmalen Seitengasse frische Dulceblätter kaufen konnte. Er hatte die Brüder gerade bei einem lautstarken Streit gestört. Als er den Laden wieder verließ, stopfte er sich sogleich eines der Blätter in den Mund. Er schmeckte die Bitterkeit und kaute hektisch, aber der Schmerz wollte nicht weichen. Erst nach vier weiteren Blättern wurde sein Kopf leichter. Er wollte lieber nicht darüber nachdenken, was das bedeutete.
    Vor sich sah er durch den Regen den Berg der Wahrheit über die Flachdächer des Viertels hinausragen. Er wandte sich von diesem Anblick ab und begab sich zu den Gassen des Bardello, der kleinen Enklave der Musiker, Maler und Poeten, und blieb schließlich vor einem Holzhaus stehen, das sich gefährlich über die gepflasterte Straße neigte und dessen Fenster mit Läden verschlossen und dunkel waren. Über der Tür hing ein Metallhaken, an dem eigentlich ein hölzernes Schild befestigt sein und das Bild einer Robbe an einer Halskette zeigen sollte.
    Asch sah sich um und vergewisserte sich, dass er sich in der richtigen Straße befand. Verwirrt rüttelte er an der Tür. Sie war verschlossen.
    »Hermes!«, rief er und hämmerte mit der Faust gegen das Holz.
    Nach einigen Augenblicken hörte er schlurfende Schritte und das Geräusch von Bolzen, die zurückgezogen wurden. Die Tür wurde geöffnet, und der Agent Hermes steckte den Kopf heraus und blinzelte ihn durch eine Brille mit dicken Gläsern an.
    »Asch!« rief der kleine Mann und riss vor Überraschung die Augen weit auf. »Du alter Hund! Bist du das wirklich?«« Er öffnete die Tür ganz und bat ihn hinein.
    »Zumindest das, was von mir übrig ist«, erwiderte Asch. Er trat in einen kleinen, schwach erleuchteten, staubigen und leeren Raum, in dem einige Stühle vor den Wänden standen, die mit Zeichnungen der Bucht geschmückt waren. Vögel zwitscherten laut in den angrenzenden Zimmern. »Was ist hier los? Warum hast du geschlossen?«
    Der Mann hob den Blick, als ob man ihm soeben einen Schlag ins Gesicht versetzt hätte. Seine runden Wangen liefen rot an. Er blinzelte hinter den dicken Brillengläsern. Dann räusperte er sich und wischte sich eine Locke aus der Stirn. »Du meinst … du weißt es nicht?«
    »Was soll ich wissen?«
    Hermes rang verzweifelt die Hände. Asch gefiel es nicht, wie der Agent ihn anstarrte. Es war, als würde Hermes den Geist eines Mannes sehen, der noch nicht wusste, dass er tot war.
    »Komm«, sagte Hermes sanft – viel zu sanft – und führte Asch am Arm auf die Tür zu, die tiefer in das Haus hineinführte. »Du solltest dich zuerst setzen. Wir nehmen vor dem Kamin Platz, ja?«
    *
    Hermes mochte Vögel lieber als Menschen, und jeder Raum des Hauses war voller Käfige

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