Im Auftrag der Rache
Der Wirt fingerte an einem Ring mit Schlüsseln herum, der an seinem Gürtel hing, schloss die Truhe auf und nahm mit übertriebener Vorsicht eine Flasche heraus. Der Korken quietschte, als der Wirt ihn mit den Zähnen herauszog. Er wirbelte den Inhalt der Flasche herum, so dass das Aroma in seine bebenden, behaarten Nasenflügel steigen konnte.
»Nur vom Feinsten«, schnurrte er, als er eine winzige Portion in ein Trinkglas goss, das zwar angestoßen, aber recht sauber war. Er wollte gerade etwas Wasser hinzufügen, als Asch die Hand über das Glas hielt.
»Lass die Flasche hier«, sagte Asch zu ihm.
Plötzlich wurde der Wirt misstrauisch. »Eine Flasche von diesem Zeugs kostet einen halben Adler. Weißt du, es ist noch nicht mit Wasser verdünnt.«
Die Münze klapperte über den Tresen, und alle Köpfe im Raum flogen herum.
Der Wirt leckte sich die Lippen. Er nahm den Goldadler und prüfte dessen Gewicht. Er streckte die Zunge heraus und hielt sie gegen die Münze.
»Sehr gut«, verkündete er zufrieden. Er ließ die Flasche stehen und holte einen Meißel und einen kleinen Hammer hinter der Theke hervor. Der Adler hatte wie alle anderen zwei tiefe Rillen, die über seine Oberfläche liefen und sich in der Mitte kreuzten, so dass er in Viertel eingeteilt war. Der Wirt setzte den Meißel auf einer der Linien an und hieb einmal heftig mit dem Hammer zu. Die Münze zerbrach in zwei Hälften. Er hob die eine auf und gab die andere zurück.
Asch wirbelte den Inhalt des Glases kurz herum, schnupperte daran und trank.
Die dunkelhäutige Frau betrachtete ihn mit ihren geschminkten Augen. Sie sah aus wie eine Alhazii und schien fasziniert von seiner Haut zu sein.
»Was hat dich nach Bilgenstadt geführt, Fremder?«, fragte sie ihn. Ihre Stimme war voll und tief und erinnerte ihn an die Abenddämmerung.
»Meine Füße«, antwortete er und kippte sich die feurige Flüssigkeit in die Kehle. Dann füllte er sein Glas bis zum Rand auf.
*
Asch mietete ein Zimmer für die Nacht. Es war eine trostlose Zelle, kaum groß genug für das staubige Bett. Er legte sein Schwert ab, ging wieder hinunter und setzte sich mit seiner Flasche Cheemfeuer in eine Ecke des Schankraums. Dann machte er sich daran, sich ganz allmählich zu betrinken.
Den ganzen langen Abend hindurch sprach er mit niemandem, und ein Blick auf ihn machte den anderen klar, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Das Cheemfeuer besänftigte die Schmerzen in seinem Schädel, aber vor allem betäubte es sein Denken.
Als der Wirt schließlich die Sperrstunde ausrief, stellte Asch fest, dass er keine Lust hatte, hinauf zu seinem Zimmer zu gehen. Das Trinken hatte ihn melancholisch gemacht. Er wusste, dass er nur wenig Schlaf finden und von Dingen träumen würde, die er viel lieber vergessen wollte.
Asch trank das Glas in seiner Hand leer und stellte es hart auf dem Tisch ab. Er nahm die Flasche mit, holte seinen Mantel vom Garderobenständer, setzte den Hut auf und öffnete die Vordertür.
Draußen hatte sich Schnee unter den Regen gemischt, und der Wind warf ihn umher, so dass er Asch immer wieder ins Gesicht stach. Trotz des Mantels, den er eng um sich geschlungen hatte, und des fest an den Kopf gebundenen Hutes war ihm bitterkalt. Die Flut kam mit hohen Wellen herein, und große Teile des tiefer gelegenen Geländes waren bereits einen Fuß unter dem brodelnden Wasser begraben. Asch hielt seine Flasche mit Cheemfeuer fest und taumelte über einen dunklen Kiesweg auf das Ufer zu.
Er ging am Wasser entlang und umrundete die Baracken, die ihm im Weg standen. Einige Male stolperte er und musste sich fangen, damit er nicht in die Brandung stürzte. Er lief weiter, bis die Hütten allmählich aufhörten und der Hang vor dem Ufer endete, das zum Meer hin steil abfiel.
Er setzte sich auf die abgeflachte Oberseite eines großen Steins und ließ die Beine über den anbrandenden Wellen baumeln. Der Fels fühlte sich glatt und kühl unter seinen Schenkeln an. Er schaute hinaus auf die wilde See und beobachtete den niedergehenden, wie aus dem Nichts kommenden Schneeregen. In der fernen Finsternis erstreckte sich der Lansweg auf den Kontinent zu, und die großen Mauern des Schildes erhoben sich hoch und schwarz in den Himmel. Explosionen flackerten gelegentlich auf; ihr dumpfes Grollen erreichte ihn jeweils einen Augenblick später.
Asch fragte sich, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Das Ende schien nahe zu sein, aber vielleicht war es nur sein eigenes Ende, das er so
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