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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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Jute sah ihn an und wollte zum ersten Mal wirklich hören, was er zu sagen hatte. »Wir müssen jetzt evakuieren, Hauptmann, oder wir sind im Handumdrehen belagert, und wir haben ihnen nichts entgegenzusetzen. Ihr wisst doch, was sie mit ihren Gefangenen machen, oder?«
    Jute starrte seine Männer mit weit geöffneten Augen an. Sie hatten sich mit brennenden Fackeln bewaffnet, die sie am Herd des Wächterraumes angezündet hatten, und entfachten gerade das Signalfeuer, das in einem Eisenkübel auf dem Wehrgang stand. Das Holz war mit Alkohol durchtränkt, und so fing es trotz des Windes und des Regens rasch Feuer. Schon bald loderte es hell auf.
    »Ist der Vogel bereits ausgesandt worden?«
    »Gerade eben.«
    »Und die Protokollbücher? Wir müssen sie ebenfalls verbrennen.«
    »Im Feuer, Hauptmann.«
    »Sehr gut«, sagte Jute und warf einen letzten Blick auf die herannahenden Gestalten unter ihnen. Er bemerkte, dass sie die Gesichter geschwärzt hatten – Kommandotruppen für den Einsatz in der Nacht. »Dann sollten wir uns schleunigst von hier entfernen, nicht wahr?«
    Als er sich umdrehte, bemerkte er, dass der Sergeant und der Rest der Männer bereits auf der Flucht waren.
    »Ihr kraftlosen Bastarde«, murmelte er in sich hinein und eilte hinter ihnen her.
    *
    Als Asch zu sich kam, lag er noch dort, wo er an den Strand gespült worden war. Sandkristalle hatten Krusten auf Lippen und Gesicht gebildet. Anscheinend war er ohnmächtig gewesen. Der Sturm tobte weiterhin, und das Meer umspülte seine Beine.
    Aschs Körper war ein totes Ding ausgestreckt im Sand: schlaff, abgekoppelt von seinem Willen und zitternd vor Kälte und Schock. Seine Kehle war rau vom Salzwasser, das er geschluckt hatte. Er drehte den offenen Mund dem Regen zu, damit er etwas davon auf die Zunge bekam.
    Langsam und undeutlich begriff er, dass er sterben würde, wenn er hier liegen blieb.
    Asch stöhnte und kämpfte sich auf die Knie. Es war schwierig, sich aufzurichten. Er bewegte einen Muskel nach dem anderen, bis er endlich schwankend auf den Beinen stand. Sie zitterten und schienen jeden Augenblick nachgeben zu wollen.
    Wenn unsere Beine verausgabt sind, müssen wir unseren Willen zum Gehen benutzen , rezitierte er stumm, als er am Rande seines Blickfeldes vor Erschöpfung einen Regenbogen flackern sah. Er taumelte vorwärts.
    *
    Weitere Überlebende des Schiffbruchs sprenkelten den Strand: Matrosen, Soldaten und solche Personen, die der Streitmacht einfach gefolgt waren. Sie liefen verwirrt hin und her und hinterließen gewundene Spuren im Sand. Klagegeheul gesellte sich zu dem hohen Jammern des Sturms. Hier waren sie alle den Gewalten des Wetters ausgesetzt; der Regen fiel so dicht, dass Asch den Eindruck hatte, er atme wieder Wasser ein. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und blinzelte mehrfach, damit er wieder einen klaren Blick bekam. Rechts von ihm kauerten sich einige Leute in den Dünen zusammen; vor ihm machten sich andere auf den Weg zur Bucht.
    Erneut wischte er sich das Wasser aus den Augen. Die Regenbogenfarben dehnten sich aus und schrumpften sein Blickfeld zu einem Tunnel. Er bemerkte, dass er in die Dünen stolperte; er suchte einen Platz, an dem er nicht mehr dem Wind ausgesetzt war. Blitze zuckten über ihm. Er sah den sanft ansteigenden Sand, in den der Regen kleine Gruben gehämmert hatte.
    Vor ihm rief eine Frau in Wut, und andere Stimmen gesellten sich zu ihr. Ein Schrei. Männerlachen. Der Wind drehte und trug die Laute davon. Asch blähte die Nüstern und fing den Geruch eines Holzfeuers ein.
    Es brennt!
    Auf allen vieren kämpfte er sich den Hang der Düne hoch und keuchte dabei abgerissen wie ein Hund. Als er oben angekommen war, richtete er sich auf. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete die Szenerie unter sich: eine Gruppe von Männern, aufblitzender Stahl in ihren Fäusten, eine Gruppe von Frauen vor einem Feuer.
    Die Hoffnung auf Wärme und Schutz belebte Asch einen Moment lang. Er konzentrierte sich auf das, was er sah, und bemerkte eine ältere, zerzauste und trotzige Frau, die die Männer anschrie und ihnen mit einem langen Treibholzscheit Widerstand bot. Die Männer – Matrosen, wie er glaubte – schienen mit ihr nur zu spielen.
    » Ho! «, rief Asch, und alle Gesichter drehten sich ihm zu.
    Wieder blitzte es. Er hielt es für den geeigneten Augenblick, sein Schwert aus der Scheide zu ziehen.
    Mit plötzlicher Nervosität sahen die Matrosen einander an und wichen von den Frauen zurück.

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