Im Auftrag der Rache
zerschmettern.«
»General …«, sagte Bahm und suchte nach den richtigen Worten. »Was können wir tun?«
Glaub nahm die Füße vom Schreibtisch, legte die Hände auf die Platte und stand auf. Er überragte Bahm bei weitem, und seine Blicke schossen hin und her. »Tun? Wir müssen jeden Mann einziehen, den wir finden, und zwar so schnell wie möglich. Jeden Mann, der noch marschieren und kämpfen kann.«
»Wollt Ihr den Mhanniern auf dem Felde entgegentreten?«
»Sollen wir etwa die Tore schließen, uns hinter die Mauern kauern und auf ihre Ankunft warten?«
Ja, das war es, was Bahm getan hätte. Die niedrigeren Mauern der Stadt würden wenigstens einen gewissen Schutz gegen die anrückende Reichsarmee bieten. Aber das war eine kurzsichtige Strategie, und Bahm verwarf sie sofort wieder. Er dachte bloß an den Schutz seiner Familie und nicht an das größere Bild. Das ist der Grund, warum ich einen schlechten Anführer abgeben würde , dachte er.
Der General schien seine Gedanken zu lesen. »Die Stadt mauern sind mit dem Schild nicht zu vergleichen, Bahm. Gegen moderne Kanonen werden sie nicht lange standhalten, und ich bin mir sicher, dass sie einige davon mit sich führen.«
Bahm nickte und rieb sich mit der Hand über den Hals.
»Und in der Zwischenzeit zünden sie ganz Khos unter unseren Füßen an. Wenn wir einfach nur dasitzen und abwarten, haben wir außer dieser Stadt bald nichts mehr, was wir beschützen könnten.«
»Aber wie können wir eine so große Streitmacht auf dem Felde schlagen, Herr?«, platzte es aus ihm heraus.
»Wir müssen sie nicht schlagen, Bahm. Wir müssen uns nur etwas Zeit verschaffen.«
Für eine Weile rieb sich Bahm die müden Augen. Es war, als würde er eine andere Sprache als dieser Mann sprechen.
»Aber, General«, fuhr er fort, als Glaub vor ihm auf und ab lief, »selbst wenn wir alle khosischen Reserven mobilisieren, die wir noch haben, und selbst wenn wir den letzten Mann einziehen, bekommen wir höchstens sechs- oder siebentausend zusammen. Unsere Reserven an Schwarzpulver sind fast vollständig zur Flotte und zur Verteidigung der Mauern geschickt worden. Wir haben nur wenige Feldkanonen. Wir haben nicht einmal genug Gewehre, von Soldaten ganz zu schweigen.«
Der General blieb vor den Fenstern stehen und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. In diesem Licht nahm sein schwarzes Haar eine beinahe blaue Tönung an.
Ob er auf sein Gemälde oder auf die stillen Mauern des Schildes blickte, vermochte Bahm nicht zu sagen.
»Ich muss zugeben, dass sie uns einen schlimmen Streich gespielt haben. So viel Fantasie hätte ich der Matriarchin nicht zugetraut. Und für Sparus wäre es zu riskant gewesen, einen solchen Plan auszuhecken. Vielleicht ist der alte Mokabi aus seinem Rentnerdasein zurückgekehrt. Ich spüre sein Talent in dieser Sache.«
Glaub hielt inne und drehte den Kopf zum Fenster. In dem Augenblick, in dem er den Namen des pensionierten Erzgenerals ausgesprochen hatte – des Mannes, der die Vierte Reichsarmee vor die Mauer von Bar-Khos geführt hatte –, war ein lauter Knall vom Schild herbeigedrungen.
Es ertönte ein weiterer, und dann noch einer, bis die Fenster durch die Erschütterungen klirrten.
Die mhannischen Kanonen beschossen wieder den Schild.
Kapitel dreizehn
Der Landekopf
Die Frau hielt ihm einen Becher mit Chee entgegen, als er spät am nächsten Tag erwachte. Asch mühte sich in eine sitzende Position; seine Brust fühlte sich gequetscht und wund an. Sandklumpen fielen von seinen Wangen, als er lange und schwer in die Faust hustete. Bei jedem schmerzhaften Zucken wurden seine Augen wässerig.
Durch die Tränen sah Asch, dass sich der Sturm in der Nacht gelegt hatte, auch wenn von der See her noch ein starker Wind blies. Die Brise hatte ihm Kleider und Haut getrocknet – zumindest jene Teile, auf denen er nicht gelegen hatte –, und Hitze wallte ihm von dem kleinen Feuer neben ihm entgegen.
Als Asch lange genug das Husten einstellte, um einen vorsichtigen Schluck vom dampfenden Chee zu nehmen, bemerkte er, wie sich seine Laune besserte.
»Vielen Dank für deine Hilfe«, sagte die Frau, die neben ihm im Sand saß. »Du bist gerade rechtzeitig gekommen.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Meisterin Jauchz.«
Asch schüttelte ihre Hand. Die Frau hatte einen männlichen Griff und war keineswegs scheu. Einen Moment lang trieb ein Rauchvorhang zwischen ihnen hindurch. Asch sah sie an und betrachtete ihre Gesichtszüge
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