Im Auftrag der Rache
Schreibtischplatte und verschränkte die Hände locker vor dem Bauch, während er die Daumen umeinanderdrehte. Sein Gesicht wirkte wie ein hartes Felsenkliff.
Er nimmt es gut auf , dachte Bahm, dessen Magen noch immer in Aufruhr war.
Er war schon immer der Ansicht gewesen, dass Gelassenheit eine ausgezeichnete Eigenschaft bei einem Anführer war. Doch jetzt fühlte er sich wie ein verängstigter Junge.
»Vielleicht hat der Tod ihres Sohnes sie tollkühn gemacht«, sann Glaub nach. Bahm antwortete nichts darauf, denn der General dachte nur laut nach.
Bahms Körper wollte sich bewegen, wollte etwas tun. In seiner nervösen Ungeduld schaute er aus dem Fenster hinter dem Kopf des Generals. Von hier aus waren der Lansweg und der Schild zu sehen, und er erkannte sogar das Lager der Vierten Reichsarmee, das sich ordentlich über die gesamte Landenge erstreckte.
Nun ergab das Abflauen der Kämpfe einen Sinn. Es war mehr als nur Trauer um den Sohn der Matriarchin gewesen; sie hatten auf die Ankunft der Invasionstruppen gewartet – auf den Hammer zu ihrem Amboss, zwischen denen Bar-Khos nun gefangen war. Bahm fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte, bis der Feind mit allem, was er hatte, gegen die Mauern anstürmen würde.
Bei dem Gedanken an die bevorstehenden Kämpfe richtete er den Blick auf die Staffelei und die Leinwand vor dem Fenster und auf die Vision des Friedens, die das Bild eingefangen hatte. Es war in dem minimalistischen Farlander-Stil ausgeführt, den General Glaub so sehr schätzte. Statt den Blick aus dem Fenster wiederzugeben, handelte es sich um eine Szene aus der Erinnerung: Sanfte Hügel, die von Ranken bedeckt waren, erhoben sich auf ferne Berge zu.
Bahm wurde an einen anderen Trauerfall erinnert, an einen anderen Verlust: an die Frau, deren Geist der General in all diesen Szenerien immer und immer wieder einzufangen versuchte. General Glaub war bereits einunddreißig Jahre verheiratet gewesen, als Bahm damals zu seinem Stab gestoßen war. Bahm hatte Rose, die Frau des Generals, nur ein einziges Mal während einer Stabsbesprechung hier im Ministerium getroffen. Sie war ein kleines Bündel Frau gewesen, hatte große Würde ausgestrahlt und sanft gesprochen. Kurz hatte sie ihm von ihrem Weinberg an den südlichen Hängen des Alapolas erzählt und gesagt, sie wünschte sich, ihr Gemahl würde sie öfter dort besuchen. Sie schien einsam und in der großen, kalten Halle des Ministeriums fehl am Platze gewesen zu sein. Bahm war an ihrer Seite geblieben, bis er ihr ein scheues Lächeln entlockt hatte, und hatte sie dann seiner eigenen Frau vorgestellt. Die beiden Frauen hatten sich so gut verstanden wie zwei alte Freundinnen.
Bahm schaute von dem Gemälde weg und sah, dass die scharfen blauen Augen des Generals ihn beobachteten. Dann zuckte ihr Blick zu einem der Stühle, und Bahm begab sich dorthin und setzte sich.
»Gollanse!«, brüllte der General.
Durch die Tür hinter Bahm, die noch offen stand, trat der alte Diener des Generals ein.
»Berufe bitte ein Stabstreffen ein, ja? Ich will, dass alle innerhalb einer Stunde hier sind.«
»Ja, Herr«, erwiderte der alte Mann knapp.
Zu Bahm sagte er: »Ist der Rat schon informiert worden?«
»Es wurde ein Läufer ausgesandt.«
»Und die Liga?«
»Noch nicht.«
Der General nickte Gollanse zu. »Schick einen schnellen Segler nach Minos. Und auch Botenvögel. Teil ihnen mit, dass die jüngsten Manöver der Reichsflotte eine Täuschung waren. Der wahre Angriff findet hier auf Khos statt. Wir brauchen alle Freiwilligen, die sie uns schicken können.«
»Sehr wohl, Herr. Ist das alles?«
»Ja, und beeil dich. Vertrödle deine Zeit nicht mit Chee und Keksen.«
Der alte Mann hob eine Braue, sagte aber nichts und schlurfte aus dem Raum.
General Glaub legte den Kopf zurück und rechnete nach. »Die Perlbucht. Das sind gute hundertundvierzig Laq bis nach Bar-Khos, und die ersten dreißig sind schwieriges Gelände, bis die Truppen in die Ebene kommen. Sie werden Tume einnehmen müssen, da sie es nicht im Rücken haben dürfen. Aber sie werden sich beeilen. Dreizehn, vielleicht vierzehn Tage wird es dauern, bis wir die Vorhut hier sehen. Das reicht kaum aus, um rechtzeitig Verstärkung von der Liga zu bekommen.«
Dreizehn Tage. Bis dahin könnte ich Marlee und die Kinder weit von Khos weggebracht haben .
»Außerdem müssen wir einen erneuten Angriff auf die Mauern erwarten. Sie werden uns jetzt aus allen Richtungen bedrängen und hoffen, uns zu
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