Im Auftrag der Rache
unter dem dichten, dunklen Haarschopf. Sie erinnerte ihn ausgerechnet an die Mutter seiner Frau – an Anisa, die jene seltene Attraktivität besessen hatte, die mit dem Alter noch zuzunehmen schien.
Dann verzog sich der Rauch, und Asch sah die Kräuselung einer alten Narbe, die ihre Oberlippe spaltete – wie eine Hasenscharte, allerdings verlief sie hoch bis zum linken Auge.
»Asch«, stellte er sich vor und war noch immer sehr eingenommen von ihrem Aussehen.
Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Es ist mir ein Vergnügen«, sagte sie und schien es ernst zu meinen.
Hinter ihr durchstöberten die jungen Mädchen, die sie in der vergangenen Nacht beschützt hatte, einige Kleiderkisten. Anscheinend stellten sie ihre Garderobe für den Tag zusammen.
Meisterin Jauchz raffte ihren Rock um die Knöchel und streckte die bestrumpften Füße mit einem Seufzer zum Feuer aus. »Sie haben ja einen feinen Schlamassel aus dieser Landung gemacht«, sagte sie und deutete mit dem Kopf in Richtung der Bucht.
»Wo sind wir?«, fragte Asch über den Rand seines Bechers hinweg.
»Auf Khos. An einem Ort namens Perlbucht.«
Also hatte er Recht gehabt. Kein Zweifel: Jetzt würde die Armee nach Bar-Khos marschieren und die Stadt von hinten einzunehmen versuchen. Er erinnerte sich daran, dass die Mutter des Jungen in der Nähe lebte.
Er behielt seine Gedanken für sich, als er den Chee trank. Das wunderbare Gefühl der Wärme in seinem Bauch machte ihm klar, wie lange es her war, seit er ein heißes Getränk oder gar eine warme Mahlzeit genossen hatte. Meisterin Jauchz blinzelte ihn an und betrachtete die dunkle Färbung seiner Haut. »Was bist du? Ein Söldner? Glaubst du nicht, dass du ein wenig zu alt für diese Art von Arbeit bist?«
»Leibwächter«, sagte er, ohne nachzudenken.
»Ach? Und wer ist dein Auftraggeber?«
Asch deutete mit dem Kopf in Richtung Meer.
Sie blinzelte rasch, dachte über seine Aussage nach und sagte schließlich: »Dann kann ich nur sagen, dass du zur rechten Zeit gekommen bist. Unser eigener Mann konnte nicht schwimmen und hat das erst beiläufig erwähnt, als wir alle schon bis zum Hals im Wasser standen. Meine Mädchen brauchen Schutz, wie du bereits bemerkt haben wirst.«
Während Jauchz redete, schauten sie beide hinüber zu den Mädchen. Asch beobachtete sie, wie sie sich anzogen, und erhaschte Blicke auf glatte Waden und Schenkel sowie schwellende Brüste und bemalte Lippen, und ein Paar schwarz umrandeter Augen schaute hinüber zu ihm.
Asch sah weg und räusperte sich.
Er begriff, dass es sich um Prostituierte handelte, und ihm wurde schwindlig. Sie waren hier, um die Armee auf ihrem Feldzug zu begleiten.
Asch nippte an seinem Chee und dachte über das Angebot der Meisterin nach. Es würde einige Zeit dauern, sich hier zurechtzufinden und an die Matriarchin heranzukommen. Es würde Tage in Anspruch nehmen, und währenddessen musste er in der Nähe der Armee bleiben.
Asch erkannte ein Geschenk des Schicksals, wenn er eines erhielt.
»Bezahlung?«, fragte er, denn er wollte den Schein wahren.
»Oh, wir haben Geld. Ich kann dir den üblichen Kriegssatz von zehn Wundern und dazu noch etwas zu essen geben, sobald wir alle wieder auf dem Damm sind.«
»Fünfzehn«, sagte er, um seine Tarnung aufrechtzuerhalten.
»Einverstanden«, meinte sie und nickte anmutig. »Und noch einmal vielen Dank. Wirklich. Das war eine tapfere Tat, uns in deinem Zustand zu helfen.«
»Es war euer Feuer, vor das ich mich ungestört setzen wollte«, gestand er, aber sie lächelte, als hätte er einen Scherz gemacht.
*
Asch ließ die Frauen allein, damit sie ihre Vorbereitungen beenden konnten. Während seine durchnässten Stiefel noch vor dem Feuer standen, ging er schwimmen, damit er sauber und wieder vollständig wach wurde.
Im Tageslicht wirkte der Strand noch trostloser. Trümmer lagen in Haufen zwischen zerrissenen Seilen und Seetang, und auch Leichen waren zu sehen, über deren bleiche Haut bereits die Krabben kletterten. Vögel kreischten in der Luft und kämpften um Leckerbissen am Strand. Asch sah, dass er in die Bucht mündete, wo die Flotte im aufgewühlten Wasser vor Anker lag. Trotz des schrecklichen Sturms war sie kaum dezimiert worden. Er sah, wie Flöße und Boote Menschen und Vorräte herbeibrachten, und über die Dollborde lugten Kanonen heraus.
Er blieb stehen, als er die Streitmacht sah. Die Reichsarmee hatte auf dem weißen Sand und den Dünen dahinter einen Landekopf errichtet.
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