Im Auftrag der Rache
Rauch stieg von tausend und mehr Lagerfeuern auf, und überall schwärmten Gestalten bis zu den sanft ansteigenden Wiesen umher, die sich zwischen den lohfarbenen Bergen entlangzogen. Die geschwärzten Ruinen eines Dorfes erhoben sich auf einem Felsvorsprung, der das andere Ende der Bucht überblickte; es war ein ödes Gegenstück zu dem glimmenden Fort hinter dem Landekopf der Truppen.
Asch suchte nach Anzeichen von Sascheen und bemerkte fast sofort eine Armeestandarte mit dem schwarzen Raben auf weißem Feld, die inmitten von einigen anderen am Strand flatterte. Aber sosehr er es auch versuchte, er konnte die Matriarchin unter den vielen Menschen nicht ausmachen.
Eins nach dem anderen, sagte er sich.
Er bahnte sich einen Weg zwischen den Überlebenden hindurch, die so viel Strandgut vom Schiffbruch wie möglich aufsammelten. Er ging hinüber zum Rand des Wassers und watete hinaus ins Meer, bis die Wellen seine Schenkel umspülten. Er wusch sich, bemerkte die Prellungen an seinen Armen – die schwarzen Fingerabdrücke dort, wo sich der Matrose in dem sinkenden Schiff an ihn gekrallt hatte.
Asch tauchte unter und schwamm eine Weile, wobei sich seine Muskeln entspannten. Hin und wieder warf er einen Blick zurück zum Landekopf und zu Sascheens flatternder Standarte und hielt mit zusammengekniffenen Augen nach ihr Ausschau.
*
Der Wind peitschte die trocknenden Sandkörner von den Dünen weg, und die Matriarchin schritt durch das Zischen, während sie die Augen zu Schlitzen verengt hatte. Ihre Leibwächter schoben Soldaten und Zivilisten aus dem Weg, während ihre Adjutanten hinter ihr herhuschten und in einer langen Reihe weiß gebleichter Roben die Flanken der Hügel hoch und wieder hinunter in die Senken liefen. Es war eine Prozession, die bis zurück zum verkohlten Strand reichte.
Nicht jetzt , dachte Erzgeneral Sparus verärgert. Dafür habe ich jetzt keine Zeit .
Sparus beobachtete von seiner Position auf einer der Dünen, wie sie näher kam, während er auf einem Feldstuhl inmitten seiner vertrauenswürdigsten Offiziere saß. Die anderen Männer waren genauso gekleidet wie er; sie trugen die einfache Reichsuniform aus gehärtetem Leder, und ihre Rangtätowierungen waren deutlich an den Schläfen sichtbar. Sie hockten in einem lockeren Kreis um ihn herum im Sand. Ein Baldachin aus Leinwand flatterte wenige Fuß über seinem Kopf, und auf dem Boden lag eine ausgebreitete Karte der Insel Khos, über die immer wieder Sandkörner geblasen wurden.
»Eine letzte Sache«, sagte er rasch zu seinen Männern, denn er wollte fertig sein, bevor die Matriarchin ihn erreicht hatte. »Wir kennen unseren Feind. Wir wissen, dass Glaub ein geborener Kämpfer ist und den Ruf der Angriffslust genießt. Er wird versuchen, uns an die Kehle zu gehen. Und wir wissen, dass seine Tollkühnheit in den letzten Jahren nur durch den khosischen Rat der Michinè im Zaum gehalten wurde. Aber jetzt wird das anders. Wegen unserer Anwesenheit hier wird Glaub mit allen Vollmachten ausgestattet werden, die ihm in seiner Rolle als Protektor zustehen. Deshalb müssen wir annehmen, dass er uns mit allem, was er aufbieten kann, entgegentreten wird. Zumindest hoffen wir das. Wenn er es wirklich tut, dann haben wir diesen Krieg vielleicht schon gewonnen, noch bevor wir in Bar-Khos ankommen.«
Seine Offiziere nickten. Sie kannten all das schon, auch wenn sie wussten, dass es wichtig war, diese Dinge noch einmal auszusprechen.
Sie standen auf, als sich Sparus von seinem Stuhl erhob, um Sascheen zu empfangen. Alle verneigten sich wie altersgebeugte Männer unter dem niedrigen, flatternden Dach des Zeltes.
Sparus musste zugeben, dass sie in ihrer weißen Rüstung gut aussah. Sascheen trug sie wie eine Veteranin, und als er zusah, wie sie sich ihm mit zuversichtlichem und entspanntem Schritt näherte, musste sich Sparus in Erinnerung rufen, dass dies ihr erster Feldzug und ihr erstes Militärkommando war. Das war der Einfluss ihrer Mutter. Kira hatte darauf bestanden, dass Sascheen in der Kriegskunst ausgebildet wurde. Kusch sei Dank, dass die alte Hexe nicht hier war. Kira hätte ihre Tochter auf die ihr eigene spöttische Weise unablässig gegängelt – und das zu einer Zeit, in der die Matriarchin unbedingt Stärke zeigen musste. Schlimmer noch, Feldschlachten waren eine vertrauliche Angelegenheit der Offiziere und Anführer einer Armee. Diejenigen in Sascheens Nähe hätten unweigerlich bemerkt, wie die Lage wirklich war – nämlich dass das
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