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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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jugoslawischen
Partisanen übergeben hatten. Wie sie es mit slowenischen Soldaten in Viktring gemacht hatten. Mit den Kosaken, die sie an die Russen ausgeliefert hatten ...
    Schon gut, Alfons, schon gut.
    Alfons Hoffmann war ein Experte in den Rätseln der unmittelbaren Nachkriegszeit geworden. Antworten konnte er dennoch nicht geben.
    Nur eine: Natürlich war es um Politik gegangen. Man hatte Tito nicht düpieren wollen. Stalin. Was zählten da ein paar Hunderttausend Menschen?
    Vor der Stadtgemeinde blieb sie stehen. Eine Tafel enthielt die wichtigsten Daten zur Bleiburger Geschichte. Unter » 1945 « las sie:
Bei Kriegsende ergibt sich eine kroatische Armee der britischen Besatzung und wird zum Rückmarsch nach Jugoslawien gezwungen. Alljährlich wird auf dem »Bleiburger Feld« der Opfer dieser Tage gedacht.
    Ich dachte, die Briten und die Partisanen waren die Guten, hatte Alfons Hoffmann ratlos gesagt. Oder, das war doch so?
    Vielleicht nicht immer, hatte sie gesagt.
     
    Als sie auf dem Rückweg ins Zentrum war, rief Richard Landen an.
    »Wollte nur wissen, ob du gut angekommen bist.«
    »Bin ich.«
    »Gut.«
    Sie schwiegen. Sie freute sich, seine Stimme zu hören. Seine Stimme machte Bleiburg sanfter.
    Und er gehörte doch zu ihrem Leben wie niemand sonst.
    »Ich weiß nicht, ob es okay ist, wenn ich anrufe.«
    »Natürlich ist es okay.«
    »Nicht jeden Tag natürlich.«
    »Ruf an, wenn dir danach ist.«
    »Nicht jeden Tag.«
    »Nicht jeden Tag, das wäre zu oft. Ich muss ja arbeiten.«
    Sie lächelte. Richard Landen schwieg.
    »Es ist kalt hier«, sagte sie.
    »Hier auch.« Er räusperte sich. »Ich nehme an, irgendwo in meinem Haus liegt jetzt eine Pistole.«
    Sie lachte. »Du wirst sie nicht finden.«
    »Ich werde sie nicht suchen.«
    Die neue Heckler & Koch P- 2000 , in einer Umzugskiste im Keller auf dem Schoß eines der alten steinernen Buddhas, die Richard Landen aus dem Garten entfernt hatte, um eine neue Ordnung in sein neues Leben zu bringen.
    Der Buddha und die Pistole.
    Ein bisschen Unordnung im neuen Leben musste eben sein.
     
    Cappuccino in einem italienischen Café, am Tresen hockten im Halbdunkel die Stammgäste, fünf, sechs ältere, abgearbeitete, vielleicht arbeitslose Männer. Sie rauchten, tranken Bier, sprachen einen nicht einmal unverständlichen Dialekt. Im Spiegel hinter der Theke fing sie kurze, harmlose Blicke auf. Die einzige weitere Frau war die Bedienung, die denselben Dialekt sprach. Italienisch nur der Name des Cafés.
    Ein Provinznest, dem die Geschichte eine schwere Hypothek aufgeladen hatte. Sogar der Name passte. Ein Städtchen in einem bleiernen Korsett.
    Sie wusste nicht, weshalb sie hergekommen war. Hier würde sie Antun Lončar kaum finden. Falls sie ihn überhaupt finden wollte, was sie auch nicht so genau wusste.
    Vielleicht, weil er hier gewesen war. Weil er unter den
Flüchtlingen auf dem Bleiburger Feld gewesen war. Ein zweieinhalbjähriger Junge in den Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit.
    Weil Bleiburg zu den Stationen der Schmerzen gehörte.
    Schutzberg, Bleiburg, Valpovo, Poreč. München, aber vielleicht war es der Familie dort besser gegangen. Dann wieder Schutzberg, zu diesem Zeitpunkt längst Štrpci. Das Ende: der Mord an Frau und Tochter.
    Als der dritte Cappuccino vor ihr stand, rief Alfons Hoffmann an. »Wann arbeitest du endlich wieder?«
    »Im Januar.«
    »Im
Januar
erst?« Er stöhnte betrübt.
    Fragte, wo sie sei, der Hintergrund klinge so nach Café.
    Das kleine Café in Günterstal, weißt schon, gleich hinter dem Torbogen des Zisterzienserklosters.
    Ja, er wusste.
    Sie beendete das Gespräch rasch, zahlte, fragte die Bedienung nach dem Bleiburger Feld.
    »Das Loibacher Feld?« Die Bedienung zeigte mit der Hand – da runter, dann sind Sie gleich da.
    Sie folgte der Hand, ging da runter, stieg in ihren Wagen.
    Bleiburger Feld, Loibacher Feld, ja wie denn nun?
     
    Das Feld lag in Loibach, der Friedhof in Unterloibach, beides gehörte zu Bleiburg, erklärte der Angestellte der Tankstelle auf halbem Weg. »Bleiburger Feld«, das habe sich leider eingebürgert weltweit und bei den Historikern, eine Katastrophe für Bleiburg, wir haben doch tolle Galerien, berühmte Künstler, und super wandern können Sie hier auch, aber nein, wer von Bleiburg spricht, meint den Mai 1945 . Und das werde sich nie ändern, sagte der Angestellte, der zunehmend verärgert wirkte, weil »Bleiburg«, das »Bleiburger
Feld«, das »Bleiburger Massaker« für die Kroaten

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