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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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zum Dings, zum Mythos geworden seien wie für die Amis Pearl Harbour. Jedes Jahr am Muttertag im Mai kämen sie zu Tausenden aus aller Welt, selbst aus Australien und den USA , um des 15 .Mai 1945 zu gedenken. Hunderte Autos, Dutzende Busse, Imbissstände, Čevapčići-Grills. Im Friedhof von Unterloibach eine Messe, dann gehe es hinüber zum Loibacher Feld, wo ein Denkmal errichtet worden sei, der Grund da gehöre ohnehin schon dem kroatischen Staat und die Geschichte auch, und dass das damals doch Faschisten gewesen seien, wen interessiere das heute noch ...
    »Wie komme ich zum Loibacher Feld?«
    »Da runter, dann sind Sie eh gleich da.«
     
    Sie fuhr erst zum Friedhof, fand einen Gedenkstein mit einer sitzenden Frauenfigur, »Mutter Kroatien trauert und weint«, lautete die Inschrift daneben. In den weiteren Versen kam ihr zu viel »Ehre«, »Ruhm«, »Vaterland« vor, als dass sie sie gründlich lesen wollte.
    Historische Mythen, politische Mythen, dachte sie, wichtig für jeden Staat, jede Nation, zumal so junge wie Kroatien, natürlich. Sie schufen Identifikation. Heimat.
    Offenbar am besten geeignet: Opfermythen. Tätersein passte nicht zum Mythos.
    Auch den Briten gefiel das Tätersein anscheinend nicht.
    Und dann kam jemand wie sie und wollte historische Fakten.
    Neben Mutter Kroatien das Schachbrettwappen, von dem Richard Landen vor eineinhalb Jahren und auch Thomas Ilic irgendwann erzählt hatten. Das damals und heute offizielles Staatswappen Kroatiens war. Thomas Ilic hatte gesagt, der einzige Unterschied sei, mit welcher Farbe das
Muster links oben beginne. Weiß oder Rot. Daran erkennst du es. Weiß im Wappen des faschistischen Ustascha-Kroatien, Rot in dem des demokratischen, modernen Kroatien. Das wollten die Europäer so, damals, 1991 , damit sie uns als unabhängigen Staat anerkennen.
    Weiß. Rot.
    Oder umgekehrt?
    Links oben im Wappen neben Mutter Kroatien war ein weißes Quadrat.
     
    Sie musste noch zweimal fragen, dann hatte sie die Abzweigung zum Loibacher Feld gefunden, das tatsächlich das halbe Tal auszufüllen schien. Auf einem geschotterten Platz ein weiteres Denkmal, wieder das rot-weiße Schachbrettwappen, wieder Weiß links oben, aber vielleicht war das ja auch das demokratische Wappen, sie wusste es nicht mehr. »Zum Gedenken an die Opfer der Bleiburger Tragödie«, stand darunter.
    Sie verließ den Schotter, trat auf die Wiese, die sich anschloss. Ein weites Tal, umgeben von niedrigen Hügeln. Eine beinahe unheimliche Stille, durchbrochen nur hin und wieder vom Motor eines Autos auf der nahen Landstraße.
    Das Tal schwarz von Leibern, hatte Andreas Eisenstein gesagt.
    Einer davon Heinrich Schwarzer, zweieinhalb, aus Schutzberg/Bosnien. Vielleicht hatten die sterbenden Männer aus seinem Traum hier getanzt. Hier, im Regen auf dem Loibacher Feld.
    Sie drehte sich um die eigene Achse. Plötzlich war sie davon überzeugt, dass er wiedergekommen war, später, nach dem Mord an Biljana und Snježana. Dass er hier gestanden
hatte, wo sie jetzt stand, in derselben unheimlichen Stille, ein Mann, ein Leben, die nur noch aus Schmerzen bestanden hatten, aus Orten der Schmerzen – Schutzberg, Bleiburg, Valpovo, Poreč, Štrpci. Dass er sich wie sie um die eigene Achse gedreht hatte, vielleicht wie sie die sterbenden Männer hatte tanzen sehen.
    Und vielleicht war ja hier, auf dem Loibacher Feld, irgendwann nach dem Mord an Biljana und Snježana, der Wunsch in ihm entstanden, sich für all die Schmerzen zu rächen. Vielleicht hatte er hier zum ersten Mal seit Jahren wieder an Paul Niemann gedacht. Den Plan entworfen, sich an Paul Niemann zu rächen, indem er ihm das Gefühl der Sicherheit, das Zuhause und schließlich die Familie nahm.
     
    Sie stornierte die gebuchte zweite Nacht, warf das Gepäck ins Auto, fuhr los. Sie musste aus Bleiburg fort, das ihr auf irgendeine merkwürdige Weise in die Glieder gefahren war. Die Dunkelheit gestern, die ihren ersten Eindruck so geprägt hatte. Das Loibacher Feld, auf dem Lončar vielleicht vor ein paar Monaten oder Jahren gestanden hatte.
    Carola, deren Todesurteil vielleicht hier gedacht worden war.
    Das stille Tal, das keine Antworten geben konnte.
    All die Fragen. Die Briten und die Partisanen die Guten, die kroatischen Faschisten die Bösen, und dann drehte sich an einem Tag im Mai 1945 alles irgendwie um, wurden die Täter zu Opfern und die Opfer zu Tätern, und keiner konnte oder wollte heute noch genau und historisch korrekt erklären, was damals

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