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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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weich und kraftlos an. Er roch nach Medikamenten, Traurigkeit, Schlaflosigkeit.
    Sie hielt ihn lange, lange fest.
    Dann setzten sie sich, und sie sagte: »Ich nehme dich nicht mit nach Slawonien, Illi.«
    Thomas Ilic lächelte. »Ich fahre nicht mit dir nach Slawonien.«
    »Gut. Ich nehm dich nämlich nicht mit.«
    »Ich hatte nicht vor mitzufahren, Louise. Ich bleibe in Zagreb.«
    Sie nickte. Plötzlich verstand sie. Zagreb, ein erster Schritt aus dem Trauma. Für Slawonien wäre es zu früh gewesen, aber Zagreb ging.
    Zagreb, und dann im Februar zurück in den Dienst.
    Von der Straße unten das Rattern von Rädern über das Kopfsteinpflaster. Der Lärm des Motors, verstärkt von der gegenüberliegenden Hauswand. Im Radio ein alter Song von U 2 .
    »Und, wie gefällt dir mein Land?«
    »Lass den Quatsch, Illi.«
    Thomas Ilic lachte.
    »Fangen wir an, ja?«, sagte Louise.
    Thomas Ilic verließ die Küche, kam mit einem Schnellhefter in der Hand zurück. Er legte ihn auf den Tisch. Ein paar blaue Wörter auf dem Deckblatt, und oben drüber, unterstrichen, »Louise«.
    Alles beinahe wie früher, nur ein paar Kilo mehr.
    Und ein paar Tränen mehr.
     
    »Ein Polizist?«
    »Ein ehemaliger Polizist.«
    »Ein
Polizist,
Illi.«
    »Ich war mit ihm an der Akademie. Er ist ... Vertrau mir.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Vertrau mir.«
    »Illi, ich kann da unten doch keinen
Polizisten
brauchen.«
    »Er ist ausgestiegen.«
    »Ausgestiegen?«
    »Ausgebrannt.«
    »Benno Liebermann«, las sie.
    »Ben, wenn du am Leben bleiben willst.«
    Iva hatte die Küche verlassen, um für die USA zu packen. Louise und Thomas Ilic saßen dicht über den Tisch gebeugt, zwischen sich den Schnellhefter mit den blauen Wörtern. Draußen wurde es allmählich dunkel, Thomas Ilic hatte das Licht angemacht. Er trank Bier, sie Wasser.
    Ben Liebermann, zweiundvierzig, Spezialist für Auslandseinsätze der Polizei, für den Bundesgrenzschutz vom 1 .Januar bis zum 31 .Dezember 2003 in Sarajewo, im Rahmen der Europäischen Polizeimission in Bosnien und Herzegowina mit anderen Kollegen zuständig für den Aufbau der State Investigation and Protection Agency SIPA .
    »Die EUPM kenne ich, die SIPA nicht.«
    »So was wie das bosnische BKA .«
    »Aha.«
    Viele weitere blaue Wörter zu Ben Liebermann, die sie nur überflog, sie wollte ihn ja nicht heiraten, sie wollte ein paar Tage lang mit ihm reisen – Geburtsort (Hamburg), Werdegang (Kripo Köln, Kripo Berlin, als Dozent an der
Akademie in Freiburg), Auslandseinsätze (Tel Aviv, Priština, Sarajewo). Am 1 .Januar 2004 zurück nach Deutschland (Berlin), zum 31 .Mai ausgestiegen. Augenblicklicher Wohnort: Osijek. Aushilfsjob bei einem Sicherheitsdienst.
    »Was ist passiert?«
    »Er hat sich in Deutschland nicht wohlgefühlt. Er wollte zurück.«
    Sie sah auf. »Zurück wohin? Er ist in Osijek, nicht in Sarajewo.«
    »Dorthin, wo Krieg war.«
    Eine merkwürdige Antwort. Thomas Ilic zuckte die Achseln. Ich will dort sein, habe Ben Liebermann einmal gemailt, wo Krieg war.
    Sie schüttelte den Kopf. »Werde ich ihn mögen?«
    »Wenn jemand ihn mag, dann du.«
    »Weil er kompliziert ist.«
    »Weil er ein Einzelgänger ist und immer am Rand irgendeines Abgrunds zu stehen scheint.«
    Sie schwieg überrascht. Ben Liebermann, ein Bruder im Geiste.
    »Ich will keinen Säufer dabeihaben, Illi.«
    »Ich glaube nicht, dass er ein Säufer ist.«
    Wieder die blauen Wörter, Sprachen akzeptabel in Wort und Schrift: Englisch, Hebräisch, Kroatisch. Sie nickte beeindruckt. Ein Mann, der seine Freizeit offenbar mit sinnvollen Tätigkeiten zu verbringen wusste.
    »Gut. Wo und wann treffe ich ihn?«
    Thomas Ilic blätterte ein paar Seiten in seinem Schnellhefter um. Ein Stadtplan aus dem Internet, Osijek. Er hatte Kreuze gemacht – hier dein Hotel, hier die Drau, hier eine Brücke für Fußgänger. Da triffst du ihn morgen, sechzehn Uhr, in der Mitte der Brücke, Blick Richtung Westen.
    Sie nickte. Morgen die Rückkehr an die Drau.
    Sie blätterte den Hefter auf der Suche nach Valpovo durch, fand nichts, Valpovo blieb also noch, was es war, ein Ort ohne Gesicht.
     
    »Was hast du ihm erzählt?«
    »Was er wissen muss.«
    »Also alles.«
    »Ja.«
    »Aber er war Polizist, Illi.«
    »Vertrau mir.«
    Sie schüttelte den Kopf. Ein Student wäre ihr lieber gewesen.
    »Nur weil du auf
junge
Männer stehst«, sagte Thomas Ilic.
    Sie grinste.
    »Ein Student würde dir keine Waffe mitbringen, Louise.«
    Sie musterten sich schweigend. Eine

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