Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
zu den Kollegen des KDD und Hesse vom Revier Süd gesagt, kein Gescheiterter, kein Alkoholiker, keiner, der sich mit der Armut oder der Obdachlosigkeit abgefunden hätte. Zu selbstbewusst für einen Penner. Einer, der sich unangreifbar fühlte.
    Wie hatte er ihn genannt?
    Der Kombi hatte gewendet, schoss an ihr vorbei. Zwei dunkle Schemen, zwei glühende Punkte in Mundhöhe. Sie hob die Hand zu einem flüchtigen Gruß, der nicht erwidert wurde.
    Ein Krieger, hatte Paul Niemann gesagt. Er hatte was von einem alten Krieger.
     
    Aus dem Haus erklang Erik Satie, aber sie war nicht schnell genug. Sie zog das Handy aus der Umhängetasche – Alfons Hoffmann. Während die Verbindung aufgebaut wurde, trat sie wieder vor die Tür.
    »Louise«, sagte Alfons Hoffmann, »wir haben was.«
    Eine Spur – aber sie war nicht mehr frisch. Die Kollegen vom Revier in Lahr hatten angerufen, die interne Fahndung. Anfang Oktober hatte eine Streife in Lahr zwei Wohnsitzlose überprüfen wollen. Der eine war weggelaufen, plötzlich verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt
gewesen. Der andere war ein stadtbekannter Lahrer Obdachloser, ein Deutscher, der in der Fußgängerzone lebte. Die beiden hatten etwa eine Stunde lang zusammengehockt, zusammen getrunken, geraucht, der Lahrer behauptete, er kenne den anderen nicht, habe ihn an diesem Tag zum ersten Mal gesehen. Wie auch immer, auf diesen anderen passe die vage Beschreibung aus Freiburg – Kleidung, Größe, Aussehen.
    »Sag ihnen, sie sollen den Lahrer einkassieren.«
    »Fährst du rauf?«
    »Heute Nachmittag.«
    »Allein?«
    »Die Lahrer Kollegen werden schon auf mich aufpassen, oder?«
    »Unser
lonely wolf
«, sagte Alfons Hoffmann sanft.
    »Quatsch.«
    »Immer allein, Louise, auch jetzt, wo alles wieder gut ist.«
    »Ach Quatsch.«
    »Denk mal drüber nach.«
    »In sieben Tagen.«
    Alfons Hoffmann kicherte.
    Sie steckte das Handy in die Hosentasche, ging ins Haus, dachte ein wenig verärgert, Quatsch
lonely wolf.
Sie schob den Gedanken beiseite, dachte an die Lahrer Kollegen. Eine alte Spur, eine vage Spur.
    Doch ein Umstand machte diese Spur hochinteressant: Über zwanzig Prozent der Einwohner Lahrs waren Russlanddeutsche.
     
    Henriette Niemann stand in der Diele und wollte putzen, saugen, wischen, wollte diesen Menschen endlich aus dem Haus wischen, darf ich jetzt? Sie lächelte angriffslustig. Natürlich
durfte sie, Steinle und Lubowitz hatten, was sie brauchten, mehr würde nicht zu finden sein. Louise hob die Hand, berührte ihren Arm. »Halten Sie durch, ja?«
    »Oh, ich halte durch, keine Sorge.«
    Louise zog die Hand zurück. Ja, Henriette würde durchhalten, das Problem war Paul.
     
    Lahr, sagte Paul ratlos, nein, keine Verbindungen nach Lahr, sah man vom alljährlichen Ausflug der Familie zur Chrysanthema im Spätherbst ab, nächsten Samstag hatten sie wieder fahren wollen, doch das fiel nun aus. Lahr, hm ... Ein Kollege kam aus Lahr, pendelte täglich, doch man saß nur manchmal in der Kantine zusammen. »Aber was hat Lahr damit zu tun?«
    »Wissen wir noch nicht«, erwiderte Louise und erzählte von der vagen, alten Spur, auch um ihm ein wenig die Motivation zu nehmen, wieder nach Landwasser oder Weingarten zu fahren, um ihm zu zeigen, dass es keinen Sinn hatte, irgendwohin zu fahren, auch nicht nach Lahr.
    Sie ahnte, dass es nicht funktionieren würde.
    »Lahr ...« Irritiert schüttelte er den Kopf.
    Sie beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Sie müssen da raus, Herr Niemann. Kommen Sie da
raus

    Er wurde blass, noch blasser, als er ohnehin gewesen war, seine Augen waren mit einem Mal feucht, jetzt hatte sie ihn, plötzlich waren sie einander nah.
    »Versuchen Sie, den Kerl für ein paar Tage zu vergessen, Herr Niemann. Kümmern Sie sich um Ihre Familie. Gehen Sie arbeiten. Nehmen Sie Ihr normales Leben wieder auf. Fahren Sie zur Chrysanthema. Okay?«
    Er nickte.
    »Gut.«
    »Aber ...«
    »
Was
aber?«
    »Lahr, ich verstehe nicht, was soll er mit
Lahr ...«
    Sie seufzte, lehnte sich zurück, schwieg. Im ersten Stock sprang ein Staubsauber an, dann wurde eine Tür geschlossen, das Geräusch leiser. Sie würde Anne Wallmer und Mats Benedikt herschicken, sollten die noch einmal mit Paul und Henriette Niemann sprechen, ohne Mitleid, ohne Sympathie, ohne Ungeduld. Zeugen- und Opferbefragungen, da war sie nicht mehr wirklich gut drin, seit ein paar Monaten, vielleicht Jahren verlor sie zunehmend die Distanz. Sie mochte diese Leute, oder sie mochte sie

Weitere Kostenlose Bücher