Im Auftrag der Väter
harmlosen Allerweltskram erzählte – die Lilly vom Blumenstand hat jetzt einen Verehrer, der ist so dick wie der alte Kohl, dem Lukas vom Imbiss ist das Toupet in die Pfütze geflogen ...
»Und wann macht es keinen Spaß, ihm zuzuhören?«
»Sprich ihn nicht auf die Spätaussiedler an.«
»Wie soll das gehen, wenn ich einen Spätaussiedler suche?«
»Tu mir den Gefallen.«
»Was hat er gegen die Spätaussiedler?«
»Was man nur gegen sie haben kann.«
»Immerhin scheint er mit ihnen zu reden.«
»Dein Spätaussiedler hatte was zu trinken. Alkohol lässt Alkoholiker über gewisse Vorbehalte hinwegsehen, vermute ich.«
Tat es das? Sie dachte eine Weile darüber nach, während sie durch die Marktstraße mit ihren Fachwerkhäusern schlenderten, die noch morgendlich wirkte, sauber, frisch und unverbraucht, obwohl bereits viele Passanten unterwegs
waren. Da Arndt Schneider Uniform trug, wurden sie zum Blickfang, der große, freundliche, ruhige Schutzpolizist, dem man den hohen Rang auch ansah, wenn man die beiden altgoldfarbenen Sterne auf seiner Schulterklappe und das altgoldfarbene Mützenband nicht zu deuten wusste, daneben die mittelgroße Dunkelhaarige mit Sonnenbrille, Legende der Freiburger Kripo im klassischen Understatement-Look, Jeansjacke, weiße Bluse, Jeans, Umhängetasche, Geox-Schuhe.
»Seltsam«, sagte Arndt Schneider. »Seit ich gewusst habe, dass du nach Lahr kommst, höre ich eine bestimmte Musik im Kopf, Rock oder Pop aus den Siebzigerjahren, du weißt schon, so etwas ganz Bombastisches, Gitarren, Keyboards ...«
Sie begann zu lachen, hakte sich bei ihrem Polizeioberrat unter, der wohl tatsächlich einmal einer ihrer Jungspunde gewesen war, so ganz allmählich fügten sich die Puzzleteile zusammen. Ein Lehrgang Sexualsachbearbeiter 1987 an der Landespolizeischule Freiburg, nach sieben von vierzehn Tagen ein »Bergfest«, am frühen Morgen des achten Tages lärmend Barclay James Harvest, schläfrige, warme hellgraue Augen, zwei nackte Menschen mit Kaffeebechern in der einen und Körperteilen des Gegenübers in der anderen Hand.
»Jetzt, wo du’s sagst ...« Arndt Schneider blieb stehen.
»Glaub nicht, dass du daraus irgendwelche Rechte ableiten kannst.«
»Irgendwelche
Rechte
?« Er sah sie an, nun doch ein bisschen fassungslos.
Sie lachte erneut. Der Polizeioberrat, der sich von ihr nicht aus der Fassung bringen ließ, musste erst noch geboren werden.
Arndt Schneider hatte die Kollegen, die Friedrich im Auge behielten, angerufen, er saß wie üblich am Storchenturm, dort fanden sie ihn auch, im Schneidersitz vor einem Mäuerchen inmitten von buntem Chrysanthemenschmuck, ein krummer, regloser Mann mit dünnen, halblangen Haaren, die ihm ins Gesicht fielen. Als Louise seine Augen hinter den Haaren erkannte, wurde ihr bewusst, dass er ihnen schon eine Weile entgegensah.
»Hey, Arndt.« Friedrich hob eine Hand. Am Ringfinger stak ein breiter goldfarbener Ehering.
»Guten Morgen, Friedrich«, sagte Arndt Schneider.
Friedrichs Augen waren gerötet, die Lippen ausgetrocknet, die Gesichtshaut ledrig und dunkel. Er strich sich die Haare hinter die Ohren und sagte: »Die Dame aus Freiburg?«
Arndt Schneider nickte. »Ja. Louise.«
»Hey, Louise. Eine Antwort zehn Euro, zwei Antworten achtzehn.« Friedrich lachte tonlos und zeigte graue Zähne. »Nur ein Scherz, ich bin ein guter Mensch. Was, Arndt?«
»Ja, das bist du.«
»Bloß dass ich leider stinke.«
Louise lächelte. »Stinken« traf zu. Jedes Mal, wenn sich ein Zentimeter von Friedrich bewegte, drang eine Wolke Gestank an ihre Nase.
Friedrich zog einen dunkelblauen Beutel Tabak aus der Tasche, begann, sich eine Zigarette zu drehen. »Drum«, schon wieder eine Erinnerung an die Anfänge, an die wilden ersten Jahre als Polizistin ...
»Was hat der Kerl getan, Louise?«
»Er ist in ein Haus eingebrochen, hat jemanden mit einer Pistole bedroht.«
»Tut man nicht als guter Mensch. Was, Arndt?«
Arndt Schneider schüttelte den Kopf.
»Na, setzt euch, Leute«, sagte Friedrich.
»Möchtest du einen Kaffee?«, fragte Arndt Schneider.
»Ja, Kaffee ist fein, Arndt, aber tu was rein, ja?«
»Das musst du schon selbst machen.«
Friedrich zündete die Zigarette an. »Einer mit Prinzipien, Louise. Ein guter Mensch. Trotz allem, was passiert ist. Kann ich’s ihr erzählen, Arndt, während du meinen Kaffee holst?«
»Wenn sie es hören möchte, kannst du’s ihr erzählen.«
Sie sahen Arndt Schneider nach, während er sich
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