Im Auftrag der Väter
gestikulierend auf zwei Schutzpolizisten einredete, und im Augenwinkel plötzlich einen roten Schopf, Carola, die weinend auf sie zurannte, ihr in die Arme fiel. Louise hielt sie, grenzenlos erleichtert, grenzenlos überrascht, weil sie so erleichtert war.
»Philip«, flüsterte Carola an ihrer Schulter.
Philip war verschwunden.
Er hatte das Haus rechtzeitig verlassen, mit ihnen, hatte draußen mit ihnen gestanden, während es niederbrannte, dann waren immer mehr Einsatzkräfte und Nachbarn um sie herum gewesen, und sie hatten ihn aus dem Blick verloren. Später hatte Carola eine Gestalt gesehen, die die Straße Richtung Schönberg hochging, aber sie konnte nicht sagen, ob das Philip gewesen war. Louise dachte an den Jungen in dem dunklen Zimmer mit der dunklen Musik, an die Angst, die sie zu spüren geglaubt hatte. Sie hob den Blick, doch der Schönberg lag in der Finsternis jenseits der Flammen. Sie dachte, dass sie vielleicht auch in die Dunkelheit gehen würde, wenn sie ihr Zuhause verloren hätte. Dass sie auf einen Hügel gehen würde, um über dem zu sein, was geschehen war, nicht mehr mitten drin.
Sie blickte auf die Häuser am Fuß des Schönbergs. Das dritte Haus brannte nicht mehr, das zweite stand noch in Flammen, das erste existierte nicht mehr.
Mein Haus, das ist mein Haus. Er hatte sein Haus zerstört.
»Sie sagen, sie haben nicht genug Leute, um ihn zu suchen.«
»Ich kümmere mich gleich darum.«
Sie waren ein paar Schritte zur Seite getreten, hielten sich an den Händen. Carola hatte dem zerstörten Haus den Rücken zugewandt, starrte Louise an, klammerte sich mit Augen und Händen an sie, während Louise zu begreifen versuchte, was hier geschehen war, was all das bedeutete.
Er hatte sein Haus zerstört.
»Sie müssen ihn suchen, er ist doch ganz allein!«
»Gleich, Carola, lass mich einen Moment nachdenken.«
Paul Niemann war noch im Heck des Sanitätswagens, aber er lag jetzt, ein Arzt stand bei ihm und der Schutzpolizistin.
Henriette Niemann sprach mit einem anderen Kollegen, ein Funktelefon in der linken Hand, die rechte am Saum des Morgenmantels. Louise erkannte den Kollegen, Helm Brager, ein knochiger, abgemagerter Polizeihauptkommissar vom Revier Süd, über den sie traurige Geschichten gehört hatte, die allesamt von Krankheiten handelten.
»Er hat uns geweckt«, flüsterte Carola. »Er war im Haus.«
Louise nickte. »Wir finden ihn. Warte hier, ich bin gleich wieder da.«
»Sie verstehen nicht ...«
»Gleich, Carola.«
Sie lief auf Henriette Niemann und Helm Brager zu. Je näher sie der Brandstätte kam, desto stärker wurde der Geruch nach Benzin. Er hatte sein Haus mit Benzin getränkt und niedergebrannt.
War am dritten oder vierten Tag wiedergekommen und hatte sein Haus zerstört.
Sie schüttelte den Kopf. Sie verstand nichts mehr.
Erleichtert sah sie, dass Henriette Niemann sich von Helm Brager abwandte, um zu telefonieren. Sie hätte nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen. So etwas wie vorgestern?
Wir haben genug Zeit. Halten Sie durch, ja?
So etwas?
»Brager?«
»Bonì.« Helm Brager drehte ihr das eingefallene graue Gesicht zu. Als sie vor ihm stand, sah sie, dass es vollkommen haarlos war. Keine Augenbrauen, keine Wimpern, kein Bartwuchs. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Auf seiner Stirn und den Wangen hatte sich Schweiß gesammelt. Aber in den Augen glomm Unerbittlichkeit. »Dein Fall?«
Sie nickte. »Habt ihr Tote?«
»Eine alte Frau.« Er zeigte auf das mittlere Haus.
Sie nickte erneut. »Ich suche einen Jungen. Fünfzehn Jahre.«
»Der Niemann-Junge. Die Tochter sagt, er ist zum Schönberg rauf.«
»Seid ihr sicher, dass er rechtzeitig rausgekommen ist?«
Helm Brager antwortete nicht, blickte sie nur an. Die Augen waren klein und in den Winkeln zusammengekniffen, als wartete er auf einen Schmerz, der jeden Moment kommen konnte. Wenn man ihn so ansah, ahnte man, dass der Schmerz tatsächlich manchmal kam.
»Brager, sag was, verdammt.«
»Er hat sie geweckt, bevor es losging.«
»Der Junge?«
Helm Brager schüttelte den Kopf. »Der Brandstifter.«
Er hat uns geweckt, er war im Haus ... Jetzt verstand sie, was Carola gemeint hatte. »Er war im Haus.«
»Ja«, sagte Helm Brager.
Er war im Haus gewesen, hatte in Keller, Erdgeschoss, erstem Stock, zweitem Stock Benzin ausgeschüttet. Dann hatte er die Türen zum Elternschlafzimmer und zu den Kinderzimmern geöffnet. Die Eltern waren sofort aufgewacht, hatten das Benzin gerochen, die Schritte
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