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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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nichts. Sie dachte an Carolas Fragen. Ist es ganz weg? Alles weg? Sie wusste, dass sie diese Fragen und Carolas Stimme, während sie sie gestellt hatte, nie vergessen würde. Die Fragen und die Stimme eines Mädchens, dem man das Zuhause weggenommen hatte.
    »Frau Bonì, wir müssen eine Lösung finden«, sagte der Bayer. Es klang nicht einmal besonders drängend. Eher gelangweilt.
    »Die Lösung heißt fünfzigtausend Euro.«
    Der Bayer lachte.
    Louise schloss den Mégane auf.
    »Wir zahlen keine fünfstelligen Beträge.«
    »Sie können in vierstelligen Beträgen überweisen.« Sie stieg ein.
    Der Bayer lachte wieder. Wie sie ihn schon nach wenigen Minuten satt hatte, diesen Bayern und seine Gutsherrenart. Aber sie wusste natürlich, dass er gewinnen würde.
    Wie hatte Mick gesagt? Die Bayern gewinnen immer.
     
    In ihrem Büro wartete Bob. Er stand am Fenster, nickte ein »Guten Morgen«. An seinem konzentriert-distanzierten Blick erkannte sie, weshalb er mit ihr sprechen wollte. Er war auf Fehlersuche, auf Sündersuche. Wer ganz nach oben wollte, durfte keine Schuld mit sich herumtragen. Er musste die Schuld anderen zuweisen, damit sie nicht womöglich an ihm selbst kleben blieb. Bobs Lieblingssätze waren: Sie hätten das besser
so
gemacht. Sie hätten das besser
anders
gesagt. Sie hätten das besser
früher
getan. Seine Lieblingsmitarbeiter waren die richtig guten Bullen, wie Mats Benedikt und mit Abstrichen Rolf Bermann. Er wusste, dass er die Besten brauchte, um ganz nach oben zu kommen. Dass er ihnen hinterher – immer hinterher – zeigen musste, was besser gewesen wäre. Seine Lieblingsanzüge waren teuer und geschmackvoll, aber aus dem Kaufhaus. Zu groß durften die Unterschiede nach unten und oben nicht sein.
    Er löste sich vom Fenster, breitete die Arme aus. »Wie konnte das passieren?«
    Louise setzte sich an den Schreibtisch, überlegte, ob sie antworten sollte, tat es nicht.
    »Wie ich hörte, wollten Sie bereits gestern eine Soko.«
    »Das hätte auch nichts geändert.«
    »Die Dezernatsleitung teilte Ihnen mit ...«
    »Ich weiß, was mir die Dezernatsleitung mitteilte.«
    Bob nickte und trat zu ihr. »Sie wollen ihn schützen.«
    »Wen?«
    Bob lächelte geduldig. Er hatte ein hübsches Lächeln, war ein hübscher Mann, den man gern um sich hätte haben können, wenn er nicht vom Ehrgeiz zerfressen gewesen wäre.
    »Louise.«
    »Robert.«
    Bob lächelte erneut. »Gut. Lassen wir das.« Er kehrte ans Fenster zurück, blickte einen Moment lang hinaus ins Sonnenlicht, drehte sich dann um. »Ist es vorbei? Was glauben Sie?«
    Sie erwiderte seinen Blick wortlos. Wie klug dieser Mann war. Wie vorsichtig. Der Gedanke gefiel ihr nicht, doch Bobs Vorsicht, seine Angst, selbst einen Fehler zu begehen, indem er etwas übersah, eine berechtigte Warnung ignorierte, auf die eigenen Vorurteile hereinfiel, kam den Ermittlungen fast immer zugute.
    »Nein.«
    »Er kommt wieder?«
    »Ja.«
    Bob nickte. »Warum glauben Sie das?«
    »Ich weiß es nicht. Nur ein Gefühl. Es ist nicht zu Ende.«
    »Was wird er tun?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Wird er töten?«
    »Ich weiß es doch nicht, verdammt.«
    »Was
glauben
Sie?«
    »Er könnte es versuchen.«
    »Heute Nacht hat er die Niemanns beschützt.«
    Sie stieß ein bitteres Lachen aus. So konnte man es auch sehen.
    »Er wollte nicht, dass ihnen etwas geschieht«, präzisierte Bob.
    »Ich weiß.«
    »Trotzdem glauben Sie, dass er versuchen könnte, jemanden zu töten.«
    Sie nickte schweigend.
    »Wen, Louise?«
    »Paul Niemann.«
    »Weil es eine Verbindung zwischen ihnen geben muss?«
    »Ja.«
    Bob schürzte die Lippen, sagte nichts. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, schien nachzudenken. Zwei, drei Minuten verstrichen, dann ging er zur Tür, sagte: »Wir sehen uns in der Besprechung«, und war verschwunden.
    Sie schnaubte durch die Nase. Bob. Hübscher, klüger, jünger, erfolgreicher als der gute, alte Almenbroich, der Fehler begangen hatte, weil er ehrlicher, netter, menschlicher gewesen war.
    Sie zwang sich, nicht an Bob und Almenbroich zu denken, sondern an das Gefühl, von dem sie eben gesprochen hatte. Dass der alte Krieger zurückkehren würde. Nichts deutete darauf hin, dass er versuchen würde, Paul Niemann zu töten, im Gegenteil. Er hatte zweimal die Gelegenheit dazu gehabt, er hatte es nicht getan. Vergangene Nacht hatte er Paul Niemann und dessen Familie »beschützt«.
    Und doch wurde sie das Gefühl nicht los, dass er zurückkommen würde, um

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