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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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wiederholte Carola.
    »Und wohin sollten wir gehen?«, fragte Henriette Niemann.
    »Wir besorgen Ihnen irgendwo eine Wohnung. In einer anderen Stadt, in einem anderen Bundesland. Wo er Sie nicht finden wird.«
    »Nein«, sagte nun auch Henriette Niemann. Sie kehrte zum Tisch zurück, setzte sich, die vier Hände schlangen sich wieder ineinander. »Ich laufe nicht vor diesem Psychopathen davon. Er hat mir meinen Seelenfrieden und mein Haus genommen, ich lasse nicht zu, dass er mir noch mehr nimmt, dass er mich aus meinem Leben vertreibt. Nein.«
    Louise nickte. Sie hatte nichts anderes erwartet. »Und Ihr Mann?«
    »Kann gehen oder bleiben, das ist mir egal.«
    Beide sahen sie an, Mutter und Tochter, beiden liefen jetzt Tränen über die Wangen.
    »Wo ist er?«
    »Oben«, erwiderte Carola.
    »Liegt im Bett und starrt an die Decke«, sagte Henriette Niemann.
    »Wollen Sie mit ihm sprechen?«
    Louise nickte. »Später. Eines wollte ich noch sagen: Es ist nur eine
Ahnung.
«
    »Und das heißt?«, fragte Henriette Niemann.
    »Dass er möglicherweise etwas ganz anderes vorhat.«
    »Oder gar nichts? Dass er längst weg ist?«
    »Auch das ist möglich.«
    »Aber?«
    »Aber ich glaube es nicht.«
    Henriette Niemann stieß ein hohes Lachen aus.
»Wissen
Sie eigentlich auch irgendwas? Seit Tagen ...«
    »Mama«, sagte Carola.
    »Seit Tagen suchen Sie nach diesem Psychopathen, und alles, was Sie haben, sind Ahnungen und Vermutungen und Möglichkeiten!«
    »Mama.« Carola löste ihre Hände aus dem Griff.
    »Und wie beschützen Sie uns? Vor dem Haus sitzen zwei Ihrer Kollegen im Auto, und hin und wieder fährt eine Streife vorbei!
So
beschützen Sie uns!«
    »Ja«, sagte Louise ruhig. »Mehr können wir nicht tun. Deshalb rate ich Ihnen wegzugehen.«
    »Und weil wir das nicht tun können, lassen Sie uns mit diesem Psychopathen allein!« Henriette Niemann stand auf, eilte wieder ans Fenster, als wollte sie nach dem Mann, der vielleicht kommen würde, Ausschau halten. Aber sie hatte den Kopf gesenkt, presste die Stirn an die Scheibe.
    Louise schwieg. Den Krisen der Nacht folgten die Krisen des Tages. Natürlich hatte sie Verständnis. Für die eine wie für die andere Krise. »Wichtig ist, dass Sie wachsam sind. Dass Sie zusammenbleiben, nicht allein rausgehen. Die Türen abschließen, auf ungewöhnliche Geräusche achten. Dinge, die plötzlich anders sind. Dass Sie immer ein Telefon in Reichweite haben. Sie wissen das.«
    »Ja«, sagte Henriette Niemann.
    »Bleiben Sie bei uns«, sagte Carola impulsiv und griff nach ihrer Hand, wiederholte ihre Bitte, bleiben Sie bei uns, meine Tante ist weg, ihr Zimmer frei, bleiben Sie, wenigstens für ein paar Tage, und Louise sagte, aber das geht nicht, und dachte, warum sollte das nicht gehen, sie wollte doch sowieso raus aus ihrer Wohnung. Dann sagte und dachte sie eine Weile nichts mehr, blickte nur in die traurigen, mutigen Augen Carolas, spürte die Wärme und Kraft ihrer Hände, spürte noch etwas anderes, ohne genauer zu wissen,
was, einen anderen Blick, andere Augen, die sie anstarrten, doch nicht von außen, sondern von innen, irgendwo aus ihrem Inneren.
    Und dann wusste sie es, die Augen von Antun Lončar.
     
    Sie gab Carola und Henriette Niemann Kopien des Fotos von Lončar, das dem Personenbogen der Münchner Ausländerbehörde beigeheftet gewesen war, so sieht er aus, tragt es immer bei euch, prägt euch das Gesicht ein, stellt es euch leicht verändert vor, älter, härter, die Haare anders, denkt an dieses Gesicht, bis es euch in euren Albträumen heimsucht. Dann werdet ihr ihn erkennen, falls er kommt. Carola wollte die Fotos von Biljana und Snježana sehen, betrachtete sie lange, nickte dann stumm, und Louise spürte, dass sie für einen Moment ihre Angst vergessen und an die beiden ermordeten Frauen gedacht hatte. An die Schmerzen, die Antun Lončar seit Jahren mit sich herumtrug.
     
    Carola brachte sie nach oben. Auf der Treppe blieb sie stehen, wandte sich zu ihr um. »Bleiben Sie?«
    Louise nickte.
    »Toll«, sagte Carola lächelnd.
    »Aber nicht am Tag.«
    »Ja, klar.«
    »Und du besprichst es mit deinen Eltern.«
    »Mach ich.«
    »Und besorg bitte Zucker, ich brauche
Zucker
in meinem Kaffee.«
    Carola lächelte noch immer, und Louise wurde bewusst, dass sie ihr womöglich eine weitere Aufgabe zugedacht hatte, nicht nur, sie vor Antun Lončar zu beschützen, sondern auch zu verhindern, dass die Familie zerfiel.
     
    Sie hatten das Gästezimmer eben betreten, als ihre

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