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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Epilog.
    Sie sprach den Gedanken aus.
    »Ja«, sagte Alfons Hoffmann und räusperte sich.
    »Das ist noch nicht alles, oder?«
    »Nein.«
    Biljana und Snježana Lončar waren erschossen worden. Von wem und unter welchen Umständen, hatte Thomas Ilic noch nicht in Erfahrung gebracht. Nicht von Antun Lončar, so viel stand fest.
    »Ruf mich an, sobald er sich wieder gemeldet hat.«
    »Ja.«
    »Und informier Rolf und die anderen.«
    »Ja.«
    »Du weißt, was das möglicherweise heißt?«
    Alfons Hoffmann räusperte sich erneut. »Die Frau und die Tochter.«
    »Ja.«
    Sie beendete die Verbindung, starrte auf das unfreundliche Haus draußen im Regen, dachte immer wieder nur an diesen einen Satz:
    Die Frau und die Tochter.

16
    DIE FRAU REICHTE IHR DIE HAND , die Tochter fiel ihr um den Hals, beide sagten kein Wort. Sie spürte die Stachelhaare an ihrer Wange, schmale, kräftige Arme um ihren Oberkörper, und für einen Moment war da ein merkwürdiges Gefühl – das Gefühl, dass ein anderes Gefühl nicht mehr da war. Das Alleinseingefühl.
    Das Einsamkeitsgefühl.
    »Wie geht’s dir?«, flüsterte sie.
    »Geht schon«, flüsterte Carola.
    Als Carola sich von ihr löste, kehrte das Einsamkeitsgefühl zurück.
    Sie schüttelte den Kopf. Das war doch zu lächerlich.
    Sie gingen in die Küche, die ihr noch riesiger, noch kahler erschien als am Vortag. Ein durchdringender Geruch nach Putzmittel lag in der Luft, auf den Abstellflächen herrschte perfekte Sauberkeit, perfekte Ordnung.
    Sie setzte sich an den Tisch. »Wo ist Philip?«
    »In der Schule«, erwiderte Carola.
    »Und du? Warum bist du nicht in der Schule?«
    Carola zuckte die Achseln, setzte sich, wies mit dem Kopf Richtung Tür. Papa braucht mich doch, sagten die dunklen, klugen Augen. Müde Augen heute, aber voller Trotz und Kampfeslust.
    Henriette Niemann hatte noch immer nichts gesagt, hatte nicht gelächelt, hatte ihr noch nicht verziehen. Sie
hantierte am Spülbecken herum, dann wandte sie sich um, lehnte sich dagegen. »Und?«, fragte sie. »Wieder eine Ahnung?« Sie blickte Carola an. »Eine Kommissarin mit Ahnungen.«
    Carola schwieg.
    »Ja«, sagte Louise.
    »Ja?«
    »Wieder eine Ahnung.«
    »So?« Als Louise nicht weitersprach, trat Henriette Niemann zum Tisch, setzte sich neben Carola, flüsterte: »Raus damit!«
    Louise erzählte von Antun Lončar.
    Erzählte von der Frau und der Tochter.
     
    Lange sagten die beiden nichts, saßen nur da, sahen einander an, sahen Louise an, blass, verwirrt, verängstigt. Sie hielten sich an den Händen, vier ineinander verschränkte Hände auf dem Tisch, die Finger bewegten sich, die Hände pressten sich aneinander, eine Geste größtmöglicher Nähe, Mutter und Tochter, gegenüber die Kommissarin, die sekundenlang bereute, dass sie von Biljana und Snježana und ihrer Ahnung erzählt hatte.
    Nur eine Ahnung, wollte sie sagen, was sind schon Ahnungen.
    Sie sagte es nicht.
    Die Frau und die Tochter. Die Rache bestand nicht darin, Paul Niemann zu töten. Sie bestand darin, seine Frau und seine Tochter zu töten.
    Nur eine Ahnung, verdammt, dachte sie.
    Henriette Niemann stand auf, ging mit raschen Schritten zum Fenster. Sie stand eine Weile da, mit dem Rücken zum Raum, sah hinaus. Dann sagte sie: »Gut. Also gut.« Sie
wandte sich um. »Wann wird er kommen? Morgen, in ein paar Tagen, in ein paar Wochen?«
    »Falls
er kommt.«
    »Falls er kommt.«
    »Wir wissen es nicht.«
    »Was glauben Sie?«
    »In ein paar Tagen.«
    Henriette Niemann nickte. »Ist das eine Ahnung? Oder eine Vermutung?«
    Louise antwortete nicht. Henriette Niemann nickte erneut, lächelte kühl, wandte den Blick nicht ab.
    »Sie sollten weggehen«, sagte Louise.
    »Weggehen?«
    »Die Kinder aus der Schule nehmen und weggehen, bis wir ihn haben.«
    »Nein«, sagte Carola.
    »Und das Geschäft?«
    »Ihre Schwägerin.«
    »Ha! Die hat schon das Weite gesucht. Ist ihr zu anstrengend mit uns, sie braucht Ruhe, jetzt hockt sie in ihrem Haus oben bei Todtnau und ruht sich aus.«
    »Dann jemand anders.«
    »Für wie lange?«
    Louise zuckte die Achseln. Sie waren an ihm dran, dicht dran, sie kannten mittlerweile Stationen seines Lebens, sie hatten den Anfang und das Ende der Geschichte und würden mit jedem Tag, jeder Stunde mehr erfahren, dichter an ihn herankommen. Doch ob das reichen würde, um ihn bald, in den nächsten Tagen, zu finden? Sie konnte es nicht versprechen.
    Hatte da nur wieder so eine Ahnung.
    »Ein paar Tage, ein paar Wochen.«
    »Nein«,

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