Im Auftrag der Väter
Morgen vor der Wohnung einer Hauptkommissarin der Soko »Merzhausen«. Wartete darauf, dass sie ihn zu den Niemanns führte. Folgte ihr in die Direktion, folgte ihr nach Au.
Was für sie so asymmetrisch, unberechenbar gewirkt hatte, war durchdacht. Nicht nur ein Plan, sondern mehrere.
Sie hatten die Anzahl der Streifen weiter erhöht. Vor dem Haus der Schwägerin hielten sich jetzt vier Kollegen auf.
»Wo ist sie jetzt?«, fragte Bermann.
»In einem Hotel.«
»Schaff sie her.«
»Wir brauchen ihre Aussage«, bestätigte Bob.
Louise schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist krank.«
»Krank?«
»Alkoholkrank.«
Bermann verdrehte die Augen, Bob nickte. Er wirkte ruhig, doch sie wusste, dass es in ihm arbeitete. Fehlersuche, Sündersuche, was wird noch alles passieren, was für ein Katastrophenfall, aufpassen, mein Lieber, dass da nicht was an dir hängen bleibt. »Das kommt ins Protokoll. Zeugin unter Alkoholeinfluss.«
»Ja«, sagte Louise. »Aber ihr Name kommt nicht ins Protokoll.«
Bob nickte wieder, Bermann grinste. Moralische Regeln, besagte das Grinsen, Gefühlsregeln, wieder dieser Frauenscheiß, Louise?
Aber diesmal, besagte das Grinsen vor allem: soll Bob sich damit rumschlagen.
Sie schwiegen, wechselten Blicke. Regen klatschte gegen die Fenster, im Raum war es dunkel geworden. Bob stand auf, schaltete das Deckenlicht ein. An seinem ersten Arbeitstag vor einem Jahr hatte er aus jeder Lampe Almenbroichs 40 -Watt-Birnen herausgeschraubt und durch 100 er ersetzt. Licht bringt Erkenntnis, hatte er gesagt, als seine Ermittler bei der ersten Besprechung »oben« die Augen zusammengekniffen hatten.
»Wir müssen die Niemanns wegschaffen«, sagte er.
»Sie wollen nicht.«
»Wir werden sehen.«
Louise zuckte die Achseln.
»Ich fahre selbst hin«, sagte Bob.
»Ja.«
»Wir
müssen
sie wegschaffen. In Au können wir sie nicht schützen.«
»Sie wollen nicht.«
»Idioten«, sagte Bermann.
Bob wandte sich ihm zu. »Können Sie das
bitte
lassen? Diese permanenten Kraftausdrücke und Flüche? Seit zwei, drei Tagen höre ich von Ihnen nur noch Kraftausdrücke und Flüche.«
Bermann hob eine Braue, sagte nichts. In seinen Augen lag ein gefährliches Leuchten, um seine Mundwinkel ein gefährliches Lächeln.
»Reißt euch zusammen«, sagte Louise. »Beide.«
»Wie bitte?«, sagte Bob.
»Vergiss nicht, mit wem du sprichst«, sagte Bermann.
»Ich habe Mühe, mich daran zu erinnern, wenn ich euch so höre.«
»Wovon redet sie nur?«, fragte Bob.
»Wenn ich das nur wüsste«, erwiderte Bermann.
Beide lachten. Bob stand auf, fragte Bermann: »Kommen Sie mit? Nach Au?«
»Würd ich gern, geht leider nicht. Falls sich in Lahr was tut, müssen wir sofort los.«
Bob nickte, lächelte konzentriert, hatte verstanden. Niemand da, auf den er die Schuld würde abwälzen können, falls sich die Niemanns nicht überzeugen ließen.
Sie gingen zur Tür. Louise dachte, dies wäre der Moment zu erzählen, was sie mit Carola vereinbart hatte. Dass sie die nächsten Nächte bei den Niemanns verbringen würde. Sie musste ohnehin aus ihrer Wohnung raus, Feinstaub und Metalltür im Wohnzimmer und so, das hielt doch kein
Mensch aus, und so schlugen sie zwei Fliegen mit einer Klappe, war doch eine glänzende Idee.
Sie schwieg. Bob hätte Nein gesagt zu dieser glänzenden Idee. Bermann hätte »Scheißdreck« gesagt.
Im Flur spielte ihr Handy Erik Satie.
Alfons Hoffmann sagte: »Wo bist du?«
»Oben.«
»Komm mal runter. Muss dir was zeigen.«
Sie ging wortlos, grußlos, ließ den Kripoleiter mit dem Dezernatsleiter allein, spürte an ihrem Schweigen, dass sie ihr nachsahen, heimliche Blicke über ihren Körper wandern ließen, zwei Gegner in einem Moment stiller Übereinkunft, schau dir den Hintern an, hat sie nicht einen geilen Hintern, zwei Gegner vor der finalen Auseinandersetzung in einem schmutzigen Spiel, das sie zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt austrugen – am Tag, an dem sie Antun Lončar zu den Niemanns geführt hatte.
Als sie Alfons Hoffmann sah, wuchs ihre Zuversicht mit einem Schlag. Drei Zentner Eifer und Zufriedenheit. »Komm«, sagte er und deutete auf einen zweiten Stuhl vor dem Computer.
Mats Benedikt und Anne Wallmer hatten einige Namen von Lahrern herausgefiltert, die im ehemaligen Jugoslawien geboren worden waren und aus dem einen oder anderen Grund Antun Lončars Kontakt gewesen sein konnten. Alfons Hoffmann hatte alle Namen durch das Internet geschickt, war auf weitverzweigte Stammbäume
Weitere Kostenlose Bücher