Im Auftrag der Väter
seltsames Gefühl.
»Schon gut.«
Sie schwiegen.
»Am Wochenende?«, fragte Richard Landen.
»Ja, gern. Falls ich frei hab.«
»Ja.«
»Schön, dass du wieder da bist.«
»Ja. Schön und merkwürdig.«
Sie lachten. Verabschiedeten sich.
Was war das nur für ein seltsames Gefühl? Das auf den seltsamen Klang in seiner Stimme reagiert hatte?
Vorn telefonierte Bermann mit Pauling, dem Leiter des MEK .
Anne Wallmer blickte auf ihrer Seite aus dem Fenster.
Liebe, dachte sie.
Richard Landen liebte sie.
18
DER ZUGRIFF IN LAHR war längst vorbereitet. Das Mobile Einsatzkommando, in Umkirch stationiert, war bereits vor Ort, der Leiter des Polizeireviers – Arndt Schneider – und der Leiter der Kripo – Hermann Fried – in die Sachlage eingeweiht. Ihre Stadt, was immer dort geschah, war ihr Belang, die Freiburger kamen als Gäste, Bob, der schon nach Au unterwegs gewesen war, Bermann, Louise, Mats Benedikt, Anne Wallmer. Sie hatten sich im Sokoraum der Kripo Lahr versammelt, wo sie in die Lage eingewiesen wurden. Sechzehn Mann vom MEK , rund ein Dutzend Kripobeamte aus Lahr und Freiburg, dazu Bereitschaftspolizisten – großer Bahnhof für einen Vierundneunzigjährigen, aber wer wusste schon, ob er allein war, ob nicht Antun Lončar bei ihm war.
Bobs Handschrift. Nur keine Fehler machen.
Doch ganz offensichtlich hatte Bob nicht aus Merzhausen gelernt, als sie Lončar gesucht und die ganze Armada symmetrischer Kriegführung aufgeboten und ihn nicht gefunden hatten, weil Lončar seinen eigenen Krieg führte, Vorbereitungen getroffen hatte, ihnen immer einen Schritt voraus war.
Sie versuchte, nicht an Au und die Niemanns zu denken. An Carola.
Arndt Schneider stand neben ihr, hatte sie mit einem
vertraulichen Lächeln begrüßt. Ihre Schulter berührte seinen Arm, sie roch sein After Shave, spürte seine Wärme. Während die kleineren und größeren Tiere sprachen – Lahrer Ermittler, Bob, Hermann Fried, am Ende Pauling, der große grauhaarige Chef des MEK –, strömten endlich Erinnerungen an 1986 / 87 durch ihren Kopf, an die Nacht mit Arndt Schneider, als hätten sein Lächeln und sein naher Körper die Türen zur Vergangenheit geöffnet. Gitarrenpomp die ganze Nacht hindurch, ein großer, lebens- und liebeshungriger Schlaks, dessen Fröhlichkeit und Leidenschaft ihr in dieser Zeit der inneren Kämpfe so gut getan hatten, Sex auf dem Balkon, im Treppenhaus, im Bett und anderswo, die ganze Nacht hindurch, aber eben nur diese eine Nacht, weshalb, das wusste sie nicht mehr.
Dann, siebzehn Jahre später, traf man sich zufällig in einem minimalistisch eingerichteten Revierbüro wieder. Inzwischen war ein Kind gestorben, eine Ehe gescheitert, man hatte sich mit dem Leben arrangiert. Keine Träume mehr, keine rechte Lust auf Neues mehr, man lebte so dahin im Strudel der Ereignisse, wenn es sein musste in einer Wohnung mit Metalltür und Feinstaub. Umging die Abgründe, wie Arndt Schneider es vermutlich tat, stürzte sich immer und immer wieder hinunter wie sie. Zwei unterschiedliche Leben, die sich in einer Nacht vor siebzehn Jahren für wenige Stunden berührt hatten.
Sie griff nach Arndt Schneiders Hand, der ihre umfasste, als hätte er siebzehn Jahre lang auf diesen Moment gewartet.
So standen sie da, dicht nebeneinander, warteten schweigend, bis vorn gesagt worden war, was gesagt werden musste.
Dann war sie an der Reihe, die Kollegin Bonì mit neuesten Erkenntnissen zur Zielperson, und sie ließ Arndt Schneiders Hand los und sprach.
Ein kleines blaues Haus am Stadtrand mit Vorgarten, altmodischer Garage, aus dem Kamin stieg Rauch. Ein alter Mann, eine Haushälterin, sonst war niemand zu sehen gewesen, hatte Pauling im Sokoraum gesagt. Rund eine Stunde lang hatten Kripo Lahr und MEK das Haus Andreas Eisensteins nun unter Beobachtung.
Nichts Neues jetzt. Ein alter Mann, eine Haushälterin.
Und um die drei Dutzend schwerbewaffnete Polizeibeamte, die sich im Nieselregen in einer Nebenstraße sammelten und auf Paulings Kommando hin lautlos ausschwärmten, das MEK ein erster Zugriffsring, schwarzgekleidete, vermummte, rätselhafte Gestalten, von denen unendlich viel Aggressivität und Entschlossenheit ausging. Kripoleute und Bepos folgten im Sog ihrer Energie.
Louise war bei Bermann, sah zu, wie die Wohnungstür aufgebrochen wurde, von der Rückseite des blauen Hauses hörte sie Glas splittern, dann laute Rufe, als die Kollegen im Haus waren, ein panischer Frauenschrei, Schrittgetrampel, als die
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