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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rick hatte sich an den dämlichen Stock gewöhnt, nun haßte er ihn. Dennoch, und dies wie unter einem Reflex, hinkte er über den Kunststoffbelag der Halle der jungen Frau entgegen, die in der Mitte stand und ihm mit einem zögernden, unsicheren Lächeln entgegensah. Sie war – nun, sie war unglaublich … Sandfarbene Bluse, sandfarbener Rock, langgliedrig, hochgewachsen, schwarzes, schimmerndes Seidenhaar und nichts als Ledersandalen an den schmalen Füßen. Aber wie sie so stand, schien sich alles in dem halbrunden, großen Raum ihr zuzuordnen. Eine Gruppe von jungen Redakteuren, die gerade vorüberkam, verstummte plötzlich, drehte die Köpfe und die Schritte wurden ganz langsam. Und es waren nicht nur die Menschen, es waren die Dinge, das Licht. Er hatte sich viel auf dieser Welt bewegt, aber sie war mit Sicherheit eine der aufregendsten Frauen, denen er je begegnet war.
    Er blieb stehen.
    »Hallo«, sagte er.
    »Hallo. Ich bin Maya Nandi.« Sie gab ihm nicht die Hand, sie bewegte sich anmutig auf ihn zu und neigte den Kopf. Ihre Schultern folgten ein wenig, es war die Andeutung, der Hauch einer Verbeugung. Wenn sie tatsächlich aus Kalifornien kam, hatte sie bestimmt nicht lange dort gelebt.
    »Sie wollten mich sprechen?«
    »Aber klar doch. Hab' ich dir das nicht gerade gesagt?«
    Judy! Sie hatte aufgeholt, stand neben ihnen und schien wie immer entschlossen, die Dinge in die Hand zu nehmen. »Aber nicht hier, Rick.«
    »Hör mal, Judy, du weißt, ich tu dir gerne jeden Gefallen. Und Miß …«
    »Maya.«
    »Und deiner Freundin Maya natürlich auch. Aber ich hab' mein Programm, das weißt du doch. Ich muß noch …«
    »Du hast immer ein Programm, Rick. Das ist doch das Fatale an dir. Es ist deshalb vollkommen gleichgültig, ob ich jetzt, heute, morgen, ob mit oder ohne Anmeldung mit dir reden will, oder?«
    Diese Augen, dachte er. Mondaugen! … Und so schwarz, daß man darin versinken kann. Und das Lächeln …
    »Es geht schlicht und einfach darum, daß sie mit dir arbeiten will. Das ist das eine. Das andere: Sie kann es. Sie kann es sogar fabelhaft. Sie war zwei Jahre in den USA in dieser Umweltkiste tätig. Und außerdem …«
    Rick hob die Hand und spürte, wie sich irgendetwas in seinem Nacken verspannte. »Umweltkiste tätig …« Auch das noch … »Miß Nandi! Sie haben eine äußerst tüchtige Freundin, die ich schätze«, sagte er. »Aber leider, bisweilen ist sie ein bißchen zu tüchtig. Sehen Sie, ich will's mir ja schenken, auf so banale Dinge wie Telefonanmeldung oder meinen Terminkalender hinzuweisen. Aber Sie können mir glauben, ich bin heute tatsächlich im Streß.«
    Sie lächelte wieder. Ihre Augen schimmerten. Sie befanden sich ziemlich genau auf seiner Höhe, und es war nicht einfach, diesen Blick zu ertragen. Er maß einen Meter achtzig, sie mußte also mehr als einsfünfundsiebzig groß sein – nicht gerade üblich für die Gegend, aus der sie kam. Doch welche Gegend war das? Schmale, gerade Nase. Ein Bronzehautton, der irgendwie von innen zu leuchten schien. Inderin? Doch Inderinnen, viele Inderinnen wenigstens haben dunklere Lippen. Es war Südasien, daran zweifelte er nicht, und in ihr schien all das zusammengeflossen zu sein, was Rick Martin an Südasiens Frauen schon immer fasziniert, verwirrt und angezogen hatte. Der Mund … Der Vergleich mochte noch so abgeschmackt sein, hier traf er zu: eine tropische Frucht. Und dieser Mund lächelte. Wärme durchfloß ihn, Wärme, die in den Zehenspitzen begann. Er hatte sie schon lange nicht mehr gespürt.
    »Na ja«, sagte er, »bei Fowlers gibt's einen ganz guten irischen Kaffee.«
    »Ich mag keinen irischen Kaffee«, lächelte sie.
    »Ich auch nicht. Aber er hat auch ein gutes Sortiment an Weinen.«
    Das Fowlers lag an der Ecke der Bond-Street, ein Nachmittags-Pub, das sich Anfang der achtziger Jahre mit teurem, nachgemachtem Liberty-Plunder aufgemotzt hatte und seither Preise verlangte, die die meisten der BBC-Angestellten dazu brachte, es aus der Liste zu streichen. Dies war schon mal ein Vorteil. Den Werbe-Fritzen, die die Bar belagerten, riß es die Köpfe herum, als Rick Martin mit Maya Nandi im Gefolge an ihnen vorüberhinkte.
    Er deutete mit dem Stock auf die linke Seite des Lokals. Sie teilte sich in eine Reihe von vierplätzigen Nischen auf, die durch Glasscheiben voneinander getrennt waren. An den Glasscheiben gab es eingeätzte Jugendstil-Tänzerinnen zu bewundern. Die Lampen hatten Tulpenformen. Die Außenfenster wiederum

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