Im Auftrag des Tigers
knackte. Sie hatte aufgelegt …
Vor zehn Jahren, als Rick Martin noch die Redaktion des Enquire leitete, hatte er sich über seinen Sport-Redakteur, den jungen Walt Armstrong, mehr geärgert als amüsiert: Armstrong rannte beispielsweise ständig in viel zu engen Hemden herum, damit auch noch die letzte Sekretärin seine Muskelschinken bewundern konnte. Und dann die Morgen-Konferenzen! Er umklammerte die Tischplatte, ließ die Gelenke knacken und nannte es eine vor allem für Redakteure empfehlenswerte isometrische Übung … Von Neurotikern, die ihr Leben dem Muskelaufbau widmen, hielt Rick wenig, besonders begabt war Armstrong ohnehin nicht, und so war Rick froh, daß Walt von selbst kündigte.
Später mußte er einsehen, daß er sich getäuscht hatte. Walt Armstrong mochte ein mittelmäßiger Schreiber sein, ein Dumpfkopf war er nicht. Mit seinem Netz von Armstrong-Clubs überzog er nicht nur die Londoner City, sondern auch die besten Wohngegenden der Stadt. Seine Werbung tauchte in allen Zeitungen, selbst im Fernsehen auf, und bald fuhr er einen brandneuen Jaguar und wurde Millionär, und Rick war dankbar, daß es Walt gab. Er hatte inzwischen den Enquire-Chefsessel mit dem Medien-Job bei Greenpeace getauscht, und dies nicht nur aus Idealismus, sondern in erster Linie, weil er seinen Verleger-Schwiegervater einfach nicht mehr ertragen konnte. Nach der Färöer-Katastrophe war es Walt, der dafür sorgte, daß er nach zwei Jahren Training den Stock in die Ecke stellen und sich mit seinem halb zerstörten Muskel wieder bewegen konnte wie ein Mensch. Als es dann darum ging, das Geld für die Gründung der EIA aufzutreiben, war Walt Armstrong mit einer Einlage von zehntausend Pfund als erster dabei. Damit hatte er das Unternehmen überhaupt ermöglicht. Widerstrebend mußte Rick Martin erkennen, daß Walt für ihn zu einer Mischung von Robin Hood und väterlichem Kumpel in allen Lebenslagen aufgestiegen war.
»Willst du dich jetzt wirklich scheiden lassen, Rick?«
Rick nickte. Sie saßen in der Club-Bar. Jeder hatte einen Orangensaft mit den entsprechenden Aufbauzutaten vor sich. Das Zeug schmeckte scheußlich.
»Und wieso?«
»Wieso, wieso. Zehn Jahre Liz sind genug. Und zehn Jahre Randell-Familie ist mehr als ein ganzes Leben.« Er rührte mit dem Strohhalm im Glas. »Außerdem: Es sind ja immer die Kleinigkeiten … Hast du je eine Ehe erlebt, die nicht an Banalitäten, sondern an einer Tragödie zugrunde ging?«
»Meine«, grinste Walt Armstrong.
»Ich wußte gar nicht, daß du verheiratet warst.«
»Und wie. Meine Fähigkeit, nein zu sagen, war schon immer verkümmert. Und da kam eine dieser Chelsey-Nutten und wollte mich unbedingt aufreißen, weil sie in mir so eine Art englischen Schwarzenegger sah. Anne erwischte uns im Bett. Sie rammte mir den Griff ihres Handfegers ins Kreuz, knallte einen Dornfortsatz weg, ich mußte ins Krankenhaus und das war's dann.«
»So?« nickte Martin. »Bei mir waren's tausend Handfeger. Aber andere Frauen leistete ich mir nicht.«
»Und die Kinder?«
»Die? Die sind beide über fünfzehn. Und bis in die letzte Haarspitze Randellprogrammiert. Da macht man sich keine Sorgen.«
Walt Armstrong blickte ihn an. Lange. Sehr lange. »Du kannst dir ja was vormachen – aber wieso mir? Hab' ich das verdient? … Ich meine, geht mich ja nun wirklich nichts an, aber es sind nicht die Randell-Macken … es ist diese Frau, diese Exotin, diese amerikanische Inderin oder indische Amerikanerin.«
»Wenn schon, dann malaiische Inderin.« Rick Martin betrachtete einen der Handtücher-Automaten in der Club-Bar, als erwarte er von dort die Antwort. »Ich hab' dich trotzdem nicht belogen, Walt. Meine Ehe war längst am Ende. Daß Maya kam …«
»War nur noch Schicksal.«
»Hätte ich tatsächlich beinahe gesagt. Aber ich will nicht rot werden, so denke ich's nur. Es ist so. Glaub mir … Gut, sie war der Tropfen, der den Krug zum Überlaufen brachte.«
»Und wo steckt sie jetzt?«
»In Singapur. Noch … Sie hat Schwierigkeiten. Wenn sie da rauskommt, fliegt sie nach Zentral-Malaysia.«
»Und was läuft dort?«
»Wir haben eine Aktion gestartet. Es geht um Artenschutz, genauer gesagt um Tiger. Du kriegst ja unser Info-Material, also weißt du auch, daß sie in Südost-Asien wie in Indien nicht nur durch den erbarmungslosen Kahlschlag gefährdet sind, sondern vor allem durch diese verrückte Aberglauben-Medizin der Chinesen.«
»Pulverisierte Tiger, was? Tolle
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