Im Auftrag des Tigers
zierten Rosen, und das Ganze mit all seinem Glas, Holz und Messing wirkte wie ein in der Mitte aufgeschlitzter Orient-Expreß-Waggon.
Rick bestellte Chablis, dabei fiel ihm Mayas Irish-Coffee-Bemerkung ein und so fragte er vorsichtig: »Wollen Sie übrigens überhaupt Alkohol?«
»Warum denn nicht?«
»Nun, Sie könnten ja was dagegen haben.«
»Wieso denn?«
»Sagen wir, aus religiösen Gründen.«
»Gut«, lächelte sie. »Könnte ich. Aber sagen wir, die interessieren mich nicht.«
»Sind Sie Moslime?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin gar nichts. Mein Vater ist Hindu, meine Mutter allerdings ist Moslime.«
»Bedeutet das vielleicht Malaysia?«
»Richtig. Gut geraten.«
Als der Chablis kam, nippte sie an ihrem Glas und er betrachtete aufs neue den unglaublichen Schwung der Brauen.
»Und ich hab' mir immer eingebildet, daß bei den Frauen ihrer Heimat außer religiösen Gründen …«
»Wollen wir uns über Religion unterhalten? Ich dachte, Sie hätten so wenig Zeit?«
»Ich interessiere mich für Malaysia.«
»Sicher. Nur, sehen Sie, Mr. Martin, Malaysia ist heute nicht mein Thema. Falls ich jetzt unhöflich wirken sollte, bitte ich um Entschuldigung, aber …«, sie lächelte, »ich denke nun mal in geraden Linien. Insofern bin ich weder Malaiin noch Inderin. Da muß ich Sie enttäuschen. Wahrscheinlich halten Sie mich für ungeduldig, wenn nicht unverschämt, mein Pech ist nun mal, daß ich sehr orientalisch aussehe, aber nicht orientalisch reagiere. Oder besser: nicht reagieren will.«
»Das macht Sie noch interessanter.«
Sie verzog den Mund. Bloß keine Komplimente, dachte er, plötzlich auf der Hut. Ein Leben lang mußte sie wahrscheinlich Männer-Komplimente ertragen, irgendwelchen Schmonzes über ihr Aussehen wegstecken – sie ist allergisch geworden. Und das ist begreiflich.
Sie betrachtete ihr Glas, lehnte sich zurück und wirkte nun ganz entspannt. Judy an ihrer Seite – das war das große Wunder dieser Situation – schwieg. »Wissen Sie, Mr. Martin, irgendwann und irgendwo gab es unter meinen Vorfahren einen Kolonial-Iren, der sich vermutlich irgendwann und irgendwo gegenüber einer meiner Vorfahrinnen schlecht benommen hat. Mein Vater zum Beispiel hatte helle Augen …«
»Ein Glück, daß er sie Ihnen nicht vererbt hat.«
Wieder die herabgezogenen Mundwinkel. Laß es, verdammt noch mal!
»Mr. Martin, Sie können zu mir reden, als hätten Sie eine Irin vor sich. Oder eine Schottin, wenn Sie das lieber mögen … Denn ich bin gerade dabei, so ähnlich zu denken.«
»Und was wäre das?«
»Um es kurz zu machen, Mr. Martin, Sie kennen mich nicht. Und Sie haben nicht den geringsten Grund, mit mir Ihre Zeit zu vergeuden«, wieder dieses Lächeln, »Ihre kostbare Zeit. Und mich dazu noch zu teurem Chablis einzuladen.«
»Nun laß das doch mal seine Sache sein.« Endlich mischte sich Judy ein. Er war ihr fast dankbar dafür. Vielleicht war es albern, aber sie brachte es tatsächlich fertig, ihn zu verwirren. »Überhaupt möchte ich mal wissen, was in dich gefahren ist, Maya.«
Sie betrachtete ihre Nägel. »Ich weiß es auch nicht, Judy.«
Und dann beugte sie sich nach vorne, ziemlich weit nach vorne, und die Augen wirkten noch schwärzer als zuvor: »Vielleicht ist es trotzdem einfach zu verstehen. Sehen Sie, Mr. Martin: Ich habe in New York Journalismus studiert. Das Studium habe ich vor drei Jahren beendet. Ich arbeitete zunächst in New York, dann in Kalifornien als Fernseh-Reporterin. Dort, in San Diego, gibt es eine Umwelt-Organisation, die einen eigenen Sender aufgezogen hat.«
»Die AOE?«
»Richtig, die AOE. Ein ziemlicher Saftladen übrigens. Was ich sagen will – ich habe das Studium, wie auch meine Arbeit, nur unter dem einen, einzigen Aspekt begonnen, auf diesem Sektor zu arbeiten. Ich sah von Anfang an meine Karriere darin.«
»Nicht so ganz wie ich«, grinste Rick Martin.
»Richtig. Nicht so wie Sie … Aber die Amerikaner arbeiten dilettantisch, chaotisch, zersplittert und, was schlimmer ist, nur regional, das heißt also auf die USA bezogen. Ich habe ja zuvor gesagt, daß ich mich selbst dazu erzogen habe, linear zu denken. Für meinen Fall bedeutet das, daß ich in Ihrer Ecology Information Agency die Organisation sehe, die nicht nur am wirksamsten, sondern auch am politisch überzeugendsten die Probleme angeht. Und das ist Ihr Verdienst, Mr. Martin. Und weil ich das weiß, benehme ich mich vielleicht etwas blöde. Ich kann nun mal keine
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