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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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malte Schatten, trug Puder auf, zog die Lippen nach und verhöhnte sich gleichzeitig für ihre Make-up-Orgie. Während ihr der Verstand zurief, daß sie ihren Großvater, nach allem, was nun mal geschehen war, versöhnen müsse, und daß dies am besten zu erreichen sei, wenn sie ihm genau das Bild der erfolgreichen Heimkehrerin lieferte, das ihm vorschwebte, das Bild des erfolgreichen indischen Mädchens, das sich im Ausland durchgeschlagen hat, war sie sich gleichzeitig darüber klar, daß diese rationalen Argumente nichts anderes darstellten als Alibi-Übungen. Was wollte sie eigentlich? Hatte sie nicht über Jahre versucht, den Nandi-Clan in ihrem Herzen zu bekämpfen, die Nabelschnur zu lösen, die jeden Inder bis ans Ende seines Lebens mit Familie und Stallgeruch verbindet? Und war sie nicht jedesmal, genauso wie jetzt, damit gescheitert?
    Sie hatte große Lust, sich die ganze Farbe wieder abzuwischen. Doch Baba Nandi wollte die weiblichen Mitglieder seines Hauses nun mal so. Schon als Zwölfjährige hatte sie gelernt, mit Henna, Parfümölen und Kohlestiften umzugehen.
    Maya schob eine letzte Locke zurecht, nahm die Tasche, ging durch die Hotelhalle – und blieb stehen.
    Im Eingang war eine junge Frau erschienen. Der Türsteher machte seine Verbeugung. Sie sah sich kurz um und nahm die Richtung zur Cafeteria.
    Geeti!
    Ja, es war ihre Schwester … Und gleichzeitig eine völlig veränderte Geeti. Maya hatte sie im Sari oder in der Kurta, dem fließenden, langen Gewand der Inderinnen erwartet, doch die Frau dort trug ein rosenholzfarbenes, tailliertes, höchst elegantes Kostüm. Keine Sandalen, oh nein, hohe Absätze. Auch die Haare waren hochgesteckt. Sie ging ein wenig unsicher, den Kopf im Nacken. Die Geburt des Kindes schien ihr nicht viel ausgemacht zu haben: Sie hatte noch immer die Taille eines jungen Mädchens. Wärme durchfloß Maya. War es schwesterliche Zuneigung, Freude über Geetis Auftritt? Sie wußte es nicht.
    Sie gab die Tasche dem Pagen und ging durch den angenehm gekühlten Raum hinüber in diese weiß-schwarze Marmor-Kopie eines italienischen Lokals.
    Da saß Geeti, saß auf einem der zierlichen Stühlchen und blätterte in der bunten Karte mit den Eisspezialitäten. Maya trat hinter sie und legte ihr beide Hände auf die Schultern.
    Geeti fuhr zusammen, als sei sie vom Skorpion gebissen.
    Ängstlich war sie also noch immer … Langsam, ganz langsam drehte sie den Kopf, und dann sprang sie auf, und sie lagen sich in den Armen und küßten sich …
    Fotos lagen auf der kleinen Marmorplatte. So viele Fotos. Vor allem Fotos von Ashok, Geetis zweijährigem Sohn. Fotos auch vom ›Blauen Haus‹, von ihrer Hochzeit – und wieder Ashok, diesmal als Baby auf dem Schoß des Babas , in den Armen der Großmutter, oder strampelnd, in den blauen Himmel gehoben von einem mondgesichtigen, ziemlich beleibten jungen Mann mit imponierend vielen weißen Zähnen.
    »Das ist er also? Das ist dein Mann?«
    »Ja, das ist Besir.«
    Schon bei der Hochzeits-Anzeige, die Maya auf einigen Umwegen in Los Angeles erreicht hatte, war ihr der malaiische Name aufgefallen: Besir Otim. Doch sie hatte sich einen indisch-malaiischen Mischling vorgestellt, so wie Geeti und sie es ja auch waren. Der Mann hier war Malaie. Ein reinrassiger Bumiputra.
    Sie dachte an das Problem, das sie mit ihrem Großvater hatte. Trotz seiner weitläufigen Geschäftsbeziehungen wahrte Sulei Nandi leidenschaftlich die Hindu-Tradition. Und dazu gehörte, daß er nicht nur die Aufnahme neuer Mitglieder in seine Familie bestimmte, sondern daß sie auch aus angesehenen Hindu-Familien stammen sollten. Seinem Sohn Rabindra hatte er den Mißgriff, eine Malaiin zu heiraten, nie verziehen.
    »Hat Baba nicht getobt?«
    »Wieso denn? Bei allen Göttern, Besir kommt aus einer ganz wichtigen Familie. Er ist Vorsitzender der ›Tiger‹, du weißt doch, das ist die Jugend-Organisation der UMNO, und die regiert nun mal … Außerdem ist sein Vater Ex-Minister. Und Besir wird sicher bald Staatssekretär.«
    Maya hörte sich die Aufzählung an, betrachtete diese karrierebewußte Geeti in ihrem rosenholzfarbenen Kostüm und versuchte zu überlegen.
    Sie kam zu keinem Schluß. Außer zu der banalen Erkenntnis, daß sich die Welt von Kualang doch ziemlich verändert haben mußte … Sie schob die Fotos wieder zu einem Häufchen zusammen. »Wie ist es, Geeti? Fahren wir jetzt? Hast du den Wagen dabei?«
    Geeti war gerade dabei, eines der kleinen Schokoladenstücke

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