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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte es gedauert. Na also.
    »Tong?«
    »Ja.«
    »Also, wann landet diese Maya Nandi in Kualang? Moment, ich hol' meinen Bleistift …«
    Kualang, Hauptstadt des Sultanats Jorak , Residenz seiner Majestät Abdullah Ibraim Ibn Tuancu , lag eingebettet zwischen zwei Bergkämmen an den Quellen des Flusses Galat . Wer sich der Stadt näherte, sah als erstes die gewaltige blau-grün-weiße Kuppel der Sultan-Rachman-Moschee mit ihren vier Minaretts. Wie eine geschlossene Faust erhob sie sich über das sandbraune Dachgewirr. In ihrem Schatten breitete sich der Markt aus, öffnete sich der Exerzierplatz, lag der malaiische wie der indische und chinesische Bazar.
    Am Hang, hinter den großen Baumgruppen eines Parks verborgen, stand der Palast des Sultans mit seiner pompösen indisch-viktorianischen Fassade. Die bröckelte zwar, und auch die Rohre der beiden gewaltigen Springbrunnen davor waren längst verrostet, aber an des Sultans Herrlichkeit änderte das wenig. Ob ein Gesetz aus dem fernen Kuala Lumpur kam, ob es die Bürokraten der Provinz-Regierung des Chief-Ministers ausheckten, noch immer verschaffte ihm erst die Unterschrift des Sultans Ibraim Ibn Tuancu die Gültigkeit. Er, die Macht seiner Majestät, sein ›Daulat‹ entschieden über Glück und Unglück, über Fruchtbarkeit, reiche Ernten oder das Elend. Daran glaubten seine Untertanen seit Jahrhunderten mit der ewig gleichen, unbeirrbaren kindlichen Demut. Für die Malaien, die Bumiputras, die ›Söhne der Erde‹, wie für ihre Väter blieb er nicht nur der König, sondern Gott …
    Und daran, an das ›Daulat‹ dachte auch Maya Nandi, als sie in dem hübschen, kleinen, hochmodernen Flughafengebäude von Kualang dem Abfertigungs-Beamten ihren Paß hinhielt, worauf der wiederum nach einem kurzen Blick auf den Namen Nandi den Zeigefinger grüßend an die Stirn legte. An das ›Daulat‹ dachte sie auch jetzt, als sie in Wang Sengs Café-Shop gegenüber dem Central-Market an ihrem Espresso nippte. Der Sultan und sein merkwürdiges Daulat? … Du zum Beispiel hast nicht den geringsten Grund, dich darüber zu amüsieren. Für dich kann dieses Daulat noch die Rettung bedeuten. Zumindest ist es nicht nur wichtig, sondern auch äußerst praktisch.
    »Ihre Trumpfkarte, ja, Ihr Ass, liebe Miß Nandi«, hatte Dr. Norwawi, dieser kleine, clevere Anwalt Maya in KL eingeschärft, »sind noch immer ihre Beziehungen zum Hof und zum Haus des Sultans.«
    Nun, Sultan Omar Hassan war ein guter Freund ihres Vaters gewesen. Oft hatte auch sie sich während seiner Regentschaft im Palast aufgehalten. Doch Sultan Omar war tot … Abdullah, sein Bruder, studierte damals in England oder trieb sich auf seiner Yacht im Mittelmeer herum. Prinz Wahid, seinen ältesten Sohn jedoch kannte sie gut: Ein total bescheuerter Typ, dem es Spaß machte, den Rocker zu spielen und in einem alten grünen MG über den Campus zu donnern. Wahid hatte zur selben Zeit wie sie das Raffles-College in Singapur besucht. Natürlich war er ihr mit seinen dämlichen Allüren oft genug auf die Nerven gefallen, und der Gedanke, daß er eines Tages hier den lieben Gott würde spielen müssen, war ihr immer reichlich komisch erschienen. Doch jetzt?
    Sie lehnte sich zurück und ließ den Blick über all die Menschen schweifen, die an den Marktständen vorbeischlenderten. Die Hitze hatte auch das Hochtal erreicht und begann ihr zuzusetzen. Über den Bergen türmten sich gewaltige Wolkengebilde. Der Platz mit seinen farbigen Gemüseständen, all die Karren, die alten Frauen und die jungen Mädchen in ihren Schuluniformen – da waren sie, die Bilder, die sie stets bei sich getragen hatte. Ihr geschwätziger Nachbar im Airbus hatte recht gehabt: Hier schien die Welt noch heil.
    Sie erhob sich und betrat das Lokal, durchquerte den dunklen, von schön geschwungenen Messingleuchtern erhellten Raum und ging zur Telefonkabine.
    Die Nummer wußte sie auswendig. Hoffentlich hatte sie sich nicht geändert. Sie tippte sie ein und nahm den Hörer hoch. Eine Männerstimme meldete sich.
    »Ist Geeti zuhause?« fragte Maya auf englisch.
    »Jawohl. Wen darf ich melden?«
    »Oh, sagen Sie einfach Maya.«
    »Wie bitte?«
    »Maya.«
    Schweigen. Der Bedienstete, der dort oben auf dem Hügel am Telefon stand, mußte ihren Namen kennen. Sie hörte seinen hastigen Atem, dann ein verwirrtes: »Einen Moment bitte …«
    Drei Sekunden später war sie da. Die Stimme ihrer Schwester klang hell und backfischhaft schrill, wie immer, wenn sie

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