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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auszuwickeln, die in der Cafeteria zum Tee serviert wurden. Sie legte es sorgsam in die versilberte Schale zurück. »Wir wollten doch noch miteinander reden?«
    »Haben wir das nicht?«
    »Geredet?« Geeti hatte eine kurze Nase, den breiten Mund der Nandis und dunkle Augen, in denen stets ein entwaffnender Ausdruck von Unschuld wohnte. »Ich meine … Maya … ich meine, es ist doch so, daß wir bei Baba nicht einfach so hereinschneien können.«
    »Wir? Du meinst mich.«
    »Ja. Wir sollten das durchsprechen.« Sie nestelte an dem Staniolpapier herum.
    »Dann tu es endlich, Geeti. Was ist denn?«
    Vielleicht kam es zu hart, vielleicht klang ihre Stimme zu ungeduldig – Geetis Stirn färbte sich dunkel, sie neigte den Kopf über ihre Tasse.
    »Ja, reden … Vielleicht müßten wir viel, viel reden, Maya …« Sie hob den Kopf wieder und sah die Schwester voll an: »Ich will dich nicht kritisieren, Maya, versteh mich recht. Wie käme ich auch dazu? Du hast dein Leben geführt. Und das hast du schon getan, als wir noch klein waren … Du hast immer getan, was du wolltest. Ich … ich konnte das nicht … Wie auch? Du warst immer viel besser, gescheiter, so viel schneller irgendwie, in allem. Und …«, sie zögerte, »so viel schöner.«
    »Geeti! Was hat denn das damit zu tun, daß wir jetzt nach Hause fahren?«
    »Du weißt es.«
    »Ich? Ich weiß überhaupt nichts.«
    »Oh doch … Es muß dir klar sein, daß du nach allem, was war, nicht einfach bei uns aufkreuzen kannst.«
    Was sagte sie da? Bei uns aufkreuzen …? Herrgott noch mal: ›Bei uns‹?! Das umschloß alles, selbst ihren neuen malaiischen Mann …
    »Hast du mit Baba gesprochen? Meint er das?«
    »Mit ihm? … Maya, das würde ich nicht wagen. Nicht in dieser Situation … Ich meine, nicht ehe … irgendwie alles geregelt ist.«
    »Und Großmutter?«
    »Sie weiß es auch nicht. Sie ist sehr alt geworden … Ich wollte dich einfach vorher sehen. Du weißt so wenig von uns. Damals, als Mutter tot war, bist du mit Vater ausgezogen. Ins Chalet. Und ich blieb bei den Großeltern.«
    »Du warst krank, Geeti. Baba sagte, all die Tiere, die Vater im Chalet hielt, würden dich anstecken. Vater hat nachgegeben. Leider …«
    »Na gut. Und dann gingst du nach Singapur. Und dann passierte das andere …«
    Das ›andere‹ …
    Sonderbar: In all den Jahren hatte sie so wenig darüber nachgedacht. Das ›andere‹ war abgehakt, ja, sie hatte die ›Sharma-Affäre‹, wie Rabindra Nandi den Versuch ihres Großvaters nannte, sie mit Shankar Sharma, dem Erben einer der reichsten Hindu-Familien des Sultanats zu verheiraten, einfach gestrichen. Hier jedoch schien die Sharma-Affäre noch äußerst lebendig.
    »Ich verstehe«, sagte sie.
    »Du wirst also in ein Hotel gehen?« fragte Geeti hoffnungsvoll. »Warum bleibst du nicht gleich hier?«
    »Nein, Geeti. Ich werde in kein Hotel gehen. Du wirst mich jetzt ins Blaue Haus fahren. Ich werde mit dem Alten reden. Das heißt, ich werde es zumindest versuchen …«
    »Aber das kannst du doch nicht …«
    »Oh doch, das kann ich.« Sie lächelte in das entsetzte Gesicht ihrer Schwester. »Du hattest ganz recht vorher: Ich habe immer getan, was ich wollte …«
    Die Straße führte in langen, sanft geschwungenen Bögen den Hang hoch. Durch die lichten Blätter der Eukalyptusbäume, die hier wuchsen, leuchtete noch immer die Kuppe der Sultan-Rachman-Moschee.
    Geeti steuerte den Mercedes, das Gesicht strikt geradeaus, als gäbe es nichts wichtigeres als die Straße, auf der sich weder Menschen noch Fahrzeuge zeigten. Noch eine Kurve. Dann begann die große Steinmauer, die das ganze Grundstück der Familie Nandi umschloß und es zu einer Art Insel, vielleicht sogar zu einer Festung machte. Die Mauer trug an allen vier Ecken kleine Wachtürme.
    Damals – sie war gerade siebzehn geworden – flatterten von diesen Türmen die gelb-weiß-schwarzen Farben des Sultanats Jorak. Damals regelten Polizisten den Verkehr und wiesen die Autos an die Straßenseite, all die Bentleys, die Cadillacs, die Mercedes, die auf dem Parkplatz des ›Blauen Hauses‹ nicht mehr unterkamen. Damals wehte Musik aus den Lautsprechern, die im Park versteckt standen: Musik für dreihundert geladene Gäste, unter ihnen seine Majestät, Sultan Omar Hassan. Da der Bankett-Saal des ›Blauen Hauses‹ sich als zu klein erwies, hatte man auf dem Rasen ein gewaltiges, mit Teppichen ausgeschlagenes Festzelt aufgestellt.
    Damals hatte sie genau an der Stelle, an der

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