Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
sagte David. »Nobu und ich sind Tag und Nacht geritten, nachdem ich erfuhr, dass man dich entführt hat …«
»Ach, David, ich bin so glücklich, dich zu sehen, aber … du hast dich um meinetwillen doppelt in Gefahr gebracht. Du bist hier den Ägyptern ausgeliefert, die dir beinahe die Hand abgehackt hätten. Und dann hast du gegen König Shalaamans Erlass zum Waffendienst verstoßen.« Leah presste die Hände zusammen, damit sie nicht so zitterten. »Hier kann alles Mögliche passieren, und selbst wenn wir es schaffen zu entkommen, ist es für dich zu gefährlich, nach Ugarit zurückzukehren. Shalaaman könnte deine Hinrichtung verfügen, noch ehe du Gelegenheit hättest, dich zu rechtfertigen.« Sie kam einen Schritt auf ihn zu, die Augen angstvoll geweitet. »Aber ob wir überhaupt aus Megiddo herauskommen? Was passiert denn, wenn Reshef merkt, dass du ihn belogen hast? Nicht nur einmal, sondern dreimal.«
David legte ihr zärtlich die Hand an die Wange. »Hab keine Angst, Leah. Ich habe nicht gelogen, ganz im Einklang mit dem Eid, den ich geschworen habe. Ich habe dich ihm gegenüber als meine Ehefrau bezeichnet, und das entspricht der Wahrheit, denn in meinem Herzen hast du diese Stellung inne. Und dass du von Ugarits legendärem König Ozzediah abstammst, stimmt auch. Dem Namen nach jedenfalls. Jeder in Jericho wird das bestätigen. Und«, lächelte er, »König Shalaaman hat mich zwar nicht ausdrücklich geschickt, damit ich über deine Freilassung verhandle, aber ich nehme mal an, er hätte es getan. Wenn wir zurück sind, dürfte er mir sogar eine Belohnung dafür zukommen lassen. Also sorge dich nicht zu sehr um mich.«
Er sah sie an, strich sanft mit dem Daumen über ihren Hals. Unwillkürlich trat sie näher an ihn heran, atmete tief ein. Er sagte leise: »Oh, Leah, wie lange habe ich mich danach gesehnt, dich wiederzusehen. Vier Jahre … und ich wusste nicht, ob du noch an mich denkst. Sag, Leah – warum hast du keinen meiner Briefe beantwortet? Immer habe ich darauf gewartet.«
Leah riss die Augen auf.
»Halla!
Du hast mir geschrieben? Ich habe keinen einzigen Brief erhalten! So viel Kummer habe ich mir deswegen gemacht. Und du? Hast du meine Nachrichten bekommen? Ich habe so oft geschrieben.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, kein einziges Wort hatte ich von dir. Aber es kann nur eine Antwort geben: Ich nehme an, Yehuda hat sie abgefangen. Das scheint zu seinem Plan zu gehören, mich zu schwächen und mir zu schaden. Aber lass uns das vergessen. Das Wichtigste an alldem ist doch – du hast mir unendlich gefehlt.«
Sie sah, wie sich das Licht der Sterne in seinen dunklen Augen spiegelte. »David, was ich damals zu dir gesagt habe, tut mir unendlich leid.«
Wie verzaubert stand er da, konnte sich nicht sattsehen an ihrer Gestalt, dem schönen Gesicht, ihrem offen herabhängenden Haar. Nur ganz selten hatte er Leah ohne Kopfbedeckung erlebt. »Man hat mir eine ägyptische Perücke angeboten«, sagte sie, als sie seinen Blick bemerkte. »Als ich um einen Schleier bat, wurde mir bedeutet, dass Ägypterinnen so etwas nicht tragen.«
Leah ohne Schleier – der Anblick war überwältigend. Ein freier Geist kam darin zum Ausdruck, eine Natürlichkeit, rein und nicht eingezwängt in Mode oder Tradition oder die Vorschriften der Männer, die aus Besitzansprüchen heraus von ihren Frauen verlangten, sich zu verschleiern.
Er neigte sich zu ihr hinunter und presste seine Lippen auf ihre. Sein Mund erkundete den ihren, unendlich zart und doch voller Begehren. Als er nach dem Kuss den Kopf hob, flüsterte er: »›Die Brüste meiner Liebsten sind wie zwei Monde. Sie sind mein Entzücken. Sie sind mit Honig gefüllt. Ich erwarte meine Liebste unter dem Tamariskenbaum. Warte auf ihre Küsse und ihre Umarmung. Sie hält mich die ganze Nacht über in ihren Armen. Und dann leert sie mich. Wenn sie geht, ist dies der kälteste Tagesanbruch. Kummer begleitet mich, bis mit ihr erneut Freude einkehrt.‹«
Sie lachte leise auf. »Und ich hätte dem Arzt Reshef beinahe erklärt, wie man dieses Gedicht liest.« Sie legte den Kopf an seine Brust, hörte das gleichmäßige und beruhigende Pochen seines Herzens. »Ich würde so gern deine Ehefrau sein, Liebster. Ich wünschte, wir könnten heiraten. Aber dem Gesetz nach bin ich noch immer Calebs Frau.«
David fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar, hob ihr Gesicht zu seinem empor. »Du
bist
meine Ehefrau. Fast vom ersten Moment an, da ich dich sah, bist du die
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