Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
Weg.«
Megiddo lag ein gutes Stück weit entfernt im Norden. Die Armee des Pharaos war entlang der Küste nach Norden gezogen und hatte die unbedeutende Ansiedlung Jerusalem links liegen gelassen, um Lohnenderes zu erobern. Da Reisende aus dem Norden berichteten, der Pharao sei mit mehreren Divisionen ins nördlich von Megiddo gelegene Karmel aufgebrochen, war die Region, in der Jerusalem und kleinere Städte und Dörfer lagen, die von diversen Stammesfürsten und Kriegsherrn regiert wurden, vorläufig sicher. Was aber nicht hieß, dass dies noch lange so bleiben würde.
Die Männer verstummten, versanken ins Grübeln. Als sie das Klappern von Hufen und das Ächzen von Wagenrädern hörten, schauten sie auf und sahen einen Mann, der einen Eselskarren über den holprigen Weg führte. »Seid mir gegrüßt!«, rief er in drei Sprachen aus. »Ich komme, um eure Leber zu erfreuen! Das beste ägyptische Bier! Wein aus Jericho! Was darf’s denn sein?«
Sie sahen die Fässer auf dem Karren, die seitlich herabhängenden Weinschläuche. Calebs Gefährten kramten bereitwillig Kupferringe heraus, worauf der Fuhrmann ein Fass ablud und es unweit des Lagerfeuers aufstellte. Als er den Deckel aufstemmte, überlegte Caleb, ob es sich lohnte, dafür seinen letzten Kupferring auszugeben. Aber ohne etwas zu trinken, konnte er schlecht hier sitzen bleiben; andererseits musste er den Unterhaltungen der Männer lauschen, um zu entscheiden, wie es mit ihm weiterging und mit wem.
Er opferte dann doch seinen Kupferring und nahm dafür das lange Schilfrohr entgegen, das der Verkäufer jedem der durstigen Männer reichte, die die hohlen Halme in das Fass steckten und eifrigst zu saugen begannen.
Bald schon wurden sie ungemein gesprächig. Und Caleb hörte zu.
Einer von ihnen fuhr sich mit dem Ärmel über den Mund, deutete dann mit dem Daumen in Richtung der Garnison und sagte: »Angeblich soll sich Fürst Haddad vor Pharao Thutmosis derart fürchten, dass er freiwillig seine jüngste Tochter als Geisel nach Megiddo schicken will, um den Pharao seiner Loyalität zu versichern und um ihm zu zeigen, dass er keinen Widerstand leisten wird, sollte Ägypten beabsichtigen, Jerusalem zu einem Vasallen zu machen.«
»Alle kanaanäischen Kriegsherren fürchten den Pharao. Keiner von ihnen hätte gedacht, dass Megiddo fallen würde, und jetzt bangen sie um ihren eigenen elenden Hals«, meinte ein anderer.
Der, der zuerst gesprochen hatte, genehmigte sich einen langen Zug aus dem Bierfass, schmatzte mit den Lippen und sagte dann: »Thutmosis soll seine Geiseln ja anständig behandeln. Sie leben im Palast, erhalten das gleiche Essen und werden genauso verwöhnt wie die königliche Familie. Ein Prinz von Jabneel und seine Ehefrau werden als sogenannte Gäste betrachtet. Sie wurden aus ihrem Palast entführt, und jetzt wollen sie angeblich gar nicht mehr nach Hause! Zwei kleine Prinzen aus Ugarit samt ihren Ammen, die der Pharao in seine Gewalt gebracht hat, leben ebenfalls im Harem in Megiddo und werden bestens versorgt.«
Als der Name Ugarit fiel, merkte Caleb auf.
»König Shalaaman soll, wie ich gehört habe, außer sich sein«, sagte ein Dritter, »weil sie nämlich auch eine Frau entführt haben, die dem Vernehmen nach seine persönliche Dämonenbetörerin ist. Die Tochter eines wohlhabenden Winzers, die Shalaaman von einer Krankheit geheilt hat.«
Calebs Gedanken wirbelten durcheinander. Die Tochter eines Winzers …
Konnte das sein? Während seines kurzen Aufenthalts im Hause des Elias hatte Caleb von Leahs Kräutergarten erfahren und dass die alte Tante Kenntnisse über Heilmittel besaß. Ein solches Mädchen sollte Shalaaman geheilt haben? Eigentlich unwahrscheinlich, dass es mehrere Töchter eines Winzers gab, die über Heilkräfte verfügten.
Er nahm einen kräftigen Schluck Bier, wischte sich über den Bart und sagte: »Freund, ich habe eine Weile in Ugarit gelebt. Weißt du, wie diese Frau heißt? Diese Dämonenbetörerin?«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Wen interessiert’s schon, wie sie heißt? Wenn sie aber wirklich eine Dämonenbetörerin ist, wird Thutmosis sie in seiner Nähe behalten, und sie wird ein angenehmes Leben führen.«
Auf seiner Reise von der Küste aus nach Osten hatte Caleb viele Geschichten über die Eroberung von Megiddo und die Belagerung durch den Pharao gehört. Es hieß, er habe seine eigenen ägyptischen Ehefrauen in den dortigen Harem bringen lassen. Höchstwahrscheinlich waren dort auch
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