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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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fast gestorben, und niemals ist man klarer bei Verstand als dann, wenn man dem Tod ins Auge blickt. Deswegen muss ich jetzt zu dir sprechen. Meister, ich bin in einer elenden Verfassung. Denn ich bin verliebt. Und ich muss unbedingt zu dieser geliebten Seele, die mein Herz jubeln lässt. Ich muss ihr nahe sein.«
    Überrascht musterte David seinen alten Freund. Natürlich wusste er um Nobus nächtliche Abenteuer mit leichten Mädchen und Kneipenbekanntschaften. Aber von Liebe war nie die Rede gewesen. »Wer ist denn die Glückliche?«
    Nobu ließ den Kopf hängen, und David sah, wie sich die Flammen des Lagerfeuers auf der kahlen Stelle seines Schädels spiegelten. Eigentlich eine Ironie des Schicksals, dass einem hervorragenden Barbier die Haare ausfielen. »Ich habe dir von ihr erzählt, als wir Ugarit verließen, aber du hast nicht zugehört. Vielleicht schimpfst du mich einen Narren. Es handelt sich um die Schwester der Frau, die du liebst, Meister.« Er hob seinen kummervollen Blick. »Sie braucht meine Hilfe, Meister! Sie wird in die Sklaverei verkauft, wenn ich nicht umgehend nach Ugarit zurückkehre und einschreite. Meister, ich werde die Familie mit nach Lagasch nehmen. Meine Freunde dort werden uns bestimmt helfen.«
    David legte dem seit so vielen Jahren treuen Gefährten die Hand auf die Schulter. »Du alter Halunke, da hast du mir aber eine Menge verschwiegen! Nun, ich verstehe durchaus deinen Kummer, Nobu, aber es wäre Wahnsinn, wenn du allein nach Ugarit reiten würdest. Schau dich doch um. Das Land wird von Kriegswirren geprägt. Gesetzlose treiben sich herum, haben es auf all die abgesehen, die allein unterwegs sind. Du würdest nicht überleben. Halte also durch. Ich verspreche dir, sobald wir sicher nach Ugarit zurückkehren können, mache ich dich zu einem freien Mann. Ich werde ein Dokument aufsetzen, dem zufolge du aus der Sklaverei entlassen bist. Und als freier Mann steht es dir dann zu, dich dem Mädchen zu erklären.«
    Aus Nobus Blick sprach so unverhohlene Dankbarkeit, dass David gerührt war. Nobu war beträchtlich älter als Esther und immerhin ein Sklave, auch wenn er nun bald die Freiheit erhielt. Ob sein Werben um Esther überhaupt eine Chance hatte?
    Er widmete sich wieder seinen Aufzeichnungen, und während er die Schlacht auf Ton schriftlich festhielt, kreisten seine Gedanken immer wieder um eine Frage. Es war die gleiche Überlegung, die er während der Schlacht angestellt hatte. Auch jetzt fand er keine Antwort. Er kam sich vor wie ein Mann, der durch einen Wald läuft und weiß, dass irgendetwas ihn verfolgt, dieses Etwas aber unsichtbar bleibt.
    Woher war der Kampfesmut der Soldaten gekommen? War es die Ansprache des Pharaos gewesen?
Er rief sich die Szene in Erinnerung. Nein … erst danach. Es war der Moment, als die Soldaten sahen, wie ihre goldenen Standarten aufgerichtet wurden – die Symbole und Abbildungen der Götter.
Dies
war der Moment gewesen, der ihr Blut angeheizt hatte.
    Der Anblick eines Symbols, das sie kannten, das eine Bedeutung für sie hatte, das ihnen Kraft gab, sie zu einer Einheit zusammenschweißte …
    David musste an die Bruderschaft denken und an das vernachlässigte Sonnenauge. Wenn doch die Brüder auf das ihnen eigene Emblem so reagieren würden wie die anfangs mürrischen Truppen auf ihre geliebten goldenen Standarten!
    Und unvermittelt fiel ihm die Antwort auf die Frage ein, mit der er sich herumgequält hatte: Er hatte sie verkehrt herum gestellt. Seiner Vorstellung nach hatte das Sonnenemblem infolge der Gleichgültigkeit der Brüder Schaden genommen. Aber es war genau umgekehrt! Die Brüder waren vom Pfad der Rechtschaffenheit abgewichen,
weil das Sonnenauge seine Kraft eingebüßt hatte.
    Fast hätte David einen Freudenschrei ausgestoßen. Da hatte er die ganze Zeit über gemeint, die Bruderschaft benötige nur einen stärkeren Anführer, sie sei schwach geworden, weil der vorherige Rab alt und blind gewesen war. Jetzt aber, nachdem er miterlebt hatte, wie sich verzagte Soldaten allein beim Anblick eines Symbols in tapfere Krieger verwandelt hatten, stand für ihn fest, dass auch die Bruderschaft genau dies brauchte.
    Ein neues Symbol, um sie zu vereinen.
    Er schüttelte verwundert den Kopf darüber, wie der menschliche Verstand arbeitete – und machte eine weitere erstaunliche Entdeckung. Während er sich den Kopf zerbrochen, an Symbole und Männer gedacht hatte, hatten sich seine Hände selbständig gemacht, denn auf dem feuchten Ton,

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