Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
wissen, dass Leah die mächtige Hatschepsut erlebt und gesehen hatte, wie allein die Gegenwart der Königin ihren Untertanen Respekt, Bewunderung und Vertrauen einflößte. Schon deswegen schickte Leah ein stilles Gebet zu den Göttern und dankte ihnen, dass sie sie zur Sonnenkönigin in Megiddo geführt hatten.
Sie genossen den Sommertag im Garten der Villa. Hannah und Saloma sahen zu, wie Baruch und Aaron ausgelassen zwischen den Blumen herumtobten, Avigail saß zufrieden in der Sonne, David und Leah schlenderten durch den Weinberg. Das Anwesen gehörte wieder ihnen. Zira hatte alle Dokumente, auch die gefälschte Zahlungsaufforderung, zurückgegeben.
Die Soldaten auf den Feldern außerhalb der Stadt waren nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrags zwischen Ugarit und Ägypten abgezogen. Von Thutmosis wusste man, dass er Megiddo verlassen hatte, um nach Ägypten zurückzukehren und dort seine neuen Bauvorhaben in Angriff zu nehmen. Admiral Hayna war mit dem Großteil seiner Flotte ebenfalls wieder Richtung Ägypten gesegelt; zurückgeblieben waren lediglich drei bewaffnete Schiffe sowie eine mehrköpfige Vertretung des Pharaos. Auf Veranlassung von König Shalaaman war eine diplomatische Abordnung nach Theben unterwegs, um über die Freilassung der beiden jungen Prinzen zu verhandeln. Als Gegenleistung hatte der König versprochen, in Ugarit einen Tempel zu Ehren von Pharao Thutmosis zu errichten, Ägyptens leibhaftigem Gott.
Die Anwesenheit von Ägyptern in Ugarit störte Avigail nicht länger. Sie hatte erkannt, dass man vor Veränderungen nicht zurückzuschrecken brauchte, weil Veränderungen nicht unbedingt schlecht waren. Sie hatte ihren Prozess gewonnen, weil sie den Mut gehabt hatte, aus ihrer traditionellen Rolle auszuscheren und sich über althergebrachte Verhaltensweisen hinwegzusetzen. Man kann sich Veränderungen anpassen und trotzdem an lang gehegten Traditionen festhalten, befand sie. Die Verschmelzung zweier Kulturen konnte sogar das Beste in diesen Kulturen zum Vorschein bringen, so dass sie zusammengenommen bereichernder waren als jede für sich. Man sehe sich doch nur mal Hannah und Saloma an! Wie elegant und kühl sie ungeachtet der sommerlichen Hitze in ihren neuen Kleidern aus importiertem Leinen wirkten, die so viel angenehmer als Wolle waren!
Nicht bei allen hatte es sich zum Besseren gewendet. Nachdem Yehudas Fälscherei und seine Schmiergeldaffäre ans Licht gekommen waren, hatte man ihn festgenommen. Nur seinem hohen Rang und einem Gnadenakt König Shalaamans hatte er es zu verdanken, dass er für den Rest seines Lebens unter Hausarrest gestellt worden war; es hieß, seine Mutter Zira kümmere sich Tag und Nacht um ihn. Jotham hingegen hielt sich nur selten in seiner Villa am Meer auf. Er zog es vor, seine zunehmend größere Eisenverhüttungsanlage außerhalb der Stadt zu beaufsichtigen und sein neustes Ziel zu verfolgen: Kriegsschiffe zu bauen.
Lächelnd schloss Avigail die Augen.
Nie wieder wird man uns unser Zuhause
wegnehmen.
Das Neujahrsfest stand bevor. Das Haus von Elias würde allen Freunden zu einem großen Festmahl offen stehen. Es sollte Schweinekoteletts und Spanferkel und Blutwurst geben.
Zufrieden seufzte sie auf. Lange zurückliegende Ereignisse – die Nacht, in der Jericho fiel – hatten letztendlich zu diesem wundersamen Augenblick der Freude, des Friedens und der Sicherheit geführt. Die Welt war fast wieder in Ordnung. Mit Davids Hilfe hatte Avigail Briefe nach Babylon geschickt, in denen sie sich nach einem Winzer erkundigte, der einen Sklaven namens Elias ersteigert hatte. Bestimmt würden sie bald Antwort erhalten.
In diesem Moment kam Esther, in Rosa gekleidet, aus dem Haus und eilte sofort auf das Tor zu, um auf der Straße, die zur Stadt führte, Ausschau zu halten. Wen ihre jüngste Enkelin erwartete, daran bestand für Avigail kein Zweifel. Die Zuneigung, die zwischen Esther und Nobu entstanden war, war ihr nicht entgangen. Nobu war durch ein von David ausgefertigtes Dokument vor Gericht zu einem freien Mann erklärt worden und hatte jetzt vor, sich als Barbier in der Stadt niederzulassen.
Lächelnd schüttelte Avigail den Kopf. Die Götter – stets hielten sie eine Überraschung für sie bereit! Sie würde sich durchaus nicht wundern, wenn demnächst eine weitere Hochzeit in diesem Haus stattfand …
David und Leah, die durch den Weinberg schlenderten, hielten sich an den Händen und schmiedeten Pläne für ihr gemeinsames Leben. David,
Weitere Kostenlose Bücher