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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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bleiben.«
    »Es hat mir gefallen. Wie ein Tanz und doch auch wie ein Kampf.«
    »Es nennt sich Zh’kwan-eth und ist eine uralte Kampfdisziplin, die vor langer Zeit von Schriftgelehrten zur Selbstverteidigung entwickelt wurde. Mein Vater wollte, dass ich ein auch für den Kampf ausgebildeter Schriftgelehrter werde und mit seinen Generälen in die Schlacht ziehe, um Lagaschs Siege über seine Feinde aufzuzeichnen. Mir steht jedoch nicht der Sinn nach Krieg. Es ist das geschriebene Wort, das mir über alles geht. Zwischen meinem Vater und mir kam es deswegen zu einer unschönen Auseinandersetzung, die damit endete, dass mein Vater erklärte, solange ich nicht nachgäbe und in seine Armee einträte, werde er mich nicht als seinen Sohn anerkennen. Ich ehre ihn, aber …«
    »Das tut mir leid«, sagte sie leise.
    Als beiden bewusst wurde, dass sie einen vertraulichen Kreis betreten hatten, den kein anderer teilen konnte, schwiegen sie eine Weile. Dann durchbrach Leah den Bann. »Ich habe dies hier gefunden«, sagte sie und versuchte, das Spiel seiner Brustmuskeln, die der Umhang nicht vollständig verdeckte, zu ignorieren.
    Obwohl sie ihm eine Tontafel hinhielt, blieb sein Blick auf ihrem Gesicht haften, bis er sich – ihrem Gefühl nach zögernd – zwang, sich die Tafel vorzunehmen. Ganz kurz sah sie, wie so etwas wie Besorgnis oder Furcht über sein Gesicht huschte. »Aus Damaska?«, fragte er.
    Auf ihr »Nein« hin schien er erleichtert zu sein. Durfte sie annehmen, dass auch er hoffte, es möge kein Ehemann unterwegs zu ihnen sein? »Diese Tafel habe ich ganz unten in einer von Tante Rakels Truhen gefunden. Sie selbst erinnert sich nicht, was darauf steht.«
    David hielt sich die Tafel dicht vors Gesicht, um die Symbole zu studieren und auch in welcher Sprache der Text abgefasst war. »Sie ist alt«, sagte er. »Südkanaanäisch.«
    »Kannst du den Text entziffern?«
    »Ja, das kann ich.« Leahs Blick ruhte auf Davids vorgeneigtem Kopf, dem dicken schwarzen Haar, den Locken auf seinen Schultern. »›Mein Liebster gleicht einer Zeder‹«, begann er vorzulesen. »›Er ist hart und beständig. Er füllt meine Furche mit seiner süßen Sahne.‹« David räusperte sich verlegen. »Das scheint mir ein Liebesgedicht zu sein.«
    Ihre Blicke trafen sich. Leah sagte nichts. Unausgesprochene Worte flogen wie unsichtbare Tauben zwischen ihnen hin und her. Sie wollte, dass er weiterlas.
    David neigte wieder den Kopf. »›Die Brüste meiner Liebsten gleichen zwei Monden. Sie sind mein Entzücken. Sie sind mit Honig gefüllt. Ich erwarte meine Liebste unter dem Tamariskenbaum. Ich warte auf ihre Küsse und ihre Umarmung. Sie hält mich die ganze Nacht über in ihren Armen. Und dann leert sie mich. Wenn sie geht, ist dies der kälteste Tagesanbruch. Kummer begleitet mich, bis mit ihr erneut Freude einkehrt.‹«
    David starrte weiterhin auf die Tafel. Endlich hob er den Kopf und schaute Leah an. Seine dunklen Augen verrieten Sehnsucht, Hunger, Begehren. Sie teilten ein Geheimnis. Sie waren im Begriff, sich zu verlieben. Leah spürte, was mit ihr geschah. Wusste er es auch?
    Dürfen wir es uns selbst und einander eingestehen?
    Als er ihr die Tafel zurückgab, berührten seine Fingerspitzen ihre Hand. »Ich hätte das gern für dich geschrieben«, murmelte er. Ihr Herz machte einen Sprung.
    Eine warme Bö aus den Weinbergen tanzte um sie herum, umfing die beiden, die in gegenseitigem Verlangen verharrten. Sie waren an einem entscheidenden Punkt angelangt. Beide wussten, dass sie in den Bann von Mächten geraten waren, die stärker waren als sie selbst, alten und heiligen Mächten. Und dennoch stand ihnen nicht zu, sich diesem Bann zu ergeben. Gesetze von Menschen und Göttern schrieben vor, wie sie zu handeln hatten. Leah musste auf einen Ehemann aus Damaska warten, Davids Bestimmung lag innerhalb der Mauern der Bruderschaft.
    Leah wich einen Schritt zurück. Sie wollte sagen: Ich liebe dich. Drei schlichte Worte. Sie sah, wie Davids Lippen sich leicht bewegten, so als wollte auch er diese Worte aussprechen. Er hatte gedacht, die Tafel sei aus Damaska gekommen. Hatte es befürchtet. Das war ihm von den Augen abzulesen. Wenn aber kein Ehemann kam und ihr Vater sein Weingut und sein Haus retten und seinen guten Ruf wiederherstellen konnte, wenn sich in den nächsten Monaten alles Mögliche ereignete, würde sich vielleicht, aber nur vielleicht ihr Traum erfüllen.
    »Gute Nacht, David«, flüsterte sie. »Möge Shubat über dich

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