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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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wachen, während du schläfst.«
    David war wie erstarrt, völlig verwirrt. Dieser junge Mann, dessen Beruf das Schreiben war, dessen Leben sich um Wörter und Deutungen drehte, brachte keinen Ton heraus, als Leah gleich darauf in der Nacht verschwand. Erst als er hörte, wie ihre Sandalen die Treppe hinunterstiegen und dann immer leiser wurden und er nur noch den Wind gewahrte und das Aufheulen eines Schakals, erst dann konnte David der Schriftgelehrte und Prinz von Lagasch murmeln: »Möge Asherah über deinen Schlaf wachen, Leah Bat Elias …«

    Der Flüchtige, der sich nun Caleb nannte, verließ sein Bett noch vor Tagesanbruch. Er machte einen Bogen um die Gasse, wo man, sobald es hell wurde, einen ermordeten Fremden auffinden und den Magistrat samt seinen Wachen herbeirufen würde, und begab sich zum Hafen, wo Männer auf Arbeitssuche herumlungerten. Um keinem von der Stadtwache unter die Augen zu kommen, verbarg er das Gesicht unter seinem Umhang. Nachdem er sich einen stämmigen Arbeiter ausgesucht hatte, ging er mit ihm zurück in den Gasthof, wo er ihm die Geschenke auflud, die der Mann aus Damaska für die Frauen im Hause des Elias mitgebracht hatte: Ballen des feinen Tuchs, für das Damaska berühmt war; aufwendige Ketten mit Perlen, Türkisen und Lapis; Armreifen aus Quarz, Topase und Amethyste; Kämme aus Elfenbein, Trinkbecher aus Gold; Gefäße mit kostbaren Ölen und Salben. Sie arbeiteten zügig, aber umsichtig. Obwohl Caleb eine Decke über die Leiche des erschlagenen Dieners geworfen hatte, würde sie, vor allem jetzt im Sommer, bald zu stinken anfangen.
    Ohne ein Wort zu wechseln, zogen die beiden daraufhin zum Markt, wobei Caleb einmal mehr darauf achtete, nicht die Aufmerksamkeit der dort patrouillierenden Wachen zu erregen. Die ersten Händler wurden für ihr frühes Aufstehen belohnt. Was für Schätze, und der Mann, der sie verkaufte, versuchte erst gar nicht zu feilschen! Caleb war sofort mit allem einverstanden, was man ihm an Gold und Silberringen für seine Waren bot, nicht ohne immer wieder einen Blick über die Schulter zu werfen, um nach etwaigen Wachen Ausschau zu halten.
    Nachdem er seinen Helfer entlohnt hatte, eilte er zurück zum Gasthof, schlich sich ungesehen hinauf in sein Zimmer, raffte den Rest der Habe des Mannes aus Damaska zusammen und verzog sich, noch ehe man wegen eines Mannes, den man erschlagen in einer Gasse aufgefunden hatte (und bald auch wegen dessen Diener), Zeter und Mordio schrie. Ohne von den Wachposten groß zur Kenntnis genommen zu werden, schritt er durch die Stadttore und schlug die Straße zum Hause des Elias ein, einem sicheren Versteck, wo ein angenehmes Leben und eine willige Braut auf ihn warteten. Bis zu dem Tag, da er weiterziehen musste.
     
    »Unser Haus in Jericho hätte dir gefallen«, sagte Rakel zu Leah und führte geschickt die Bronzenadel durch das Gewebe.
    Rakel, eine strenggläubige Frau und Schirmherrin des Tempels der Asherah, achtete darauf, dass die Priesterinnen ihrem heiligen Amt entsprechend gekleidet waren. Sie kaufte teure Angorawolle, die aus einem gebirgigen Land im hohen Norden importiert und per Karawane und Schiff nach Ugarit transportiert wurde. Das weiche und sehr kostbare Ziegenhaar brachte sie zu einem angesehenen Spinner und Weber, der aus der Wolle ein so zartes Gewebe herstellte, dass sein Gewicht dem gleichen Gewicht in Gold entsprach. Wenn diese Tuchbahnen angeliefert wurden, verbrachten Rakel und ihre Großnichten viele Nachmittage damit, die Gewänder mit feingesponnenem Wollgarn in allen Farben des Regenbogens zu besticken und ihre Säume und Ränder mit Blumen, Schmetterlingen und Phantasiemustern zu verzieren, um sie an Festtagen der Asherah den Priesterinnen des Tempels als Opfergaben zu überreichen.
    Esther leistete ihnen an diesem sonnigen Nachmittag keine Gesellschaft; sie war mit ihrer Großmutter zum Sammelplatz der Karawanen aufgebrochen, wo Avigail nachfragen wollte, ob ein Brief von der Cousine in Damaska eingetroffen sei. Und Hannah, die Mutter der Mädchen, die geschickt winzig kleine Stiche zu setzen verstand, hatte sich mit monatlichen Krämpfen hingelegt.
    Ohne auf die Bemerkung der Großtante einzugehen, griff Leah zu einem kleinen kupfernen Messer, um den Faden von der eben fertiggestellten Rose abzutrennen. In Gedanken war sie bei David. Nichts anderes schien in ihrem Kopf Platz zu haben, und mehr wollte sie auch gar nicht. Wenn sie an David dachte, wurde ihr vor Freude schwindlig. Sich ihn

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