Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
aufzutreiben, der sich für ihn verwenden würde, aber sobald er auf die Frage nach seinem Dienstherrn »Elias der Winzer« geantwortet hatte, waren ihm die Türen vor der Nase zugeschlagen worden. Wie dem zusehends weiter gespannten Netz der Bosheit entkommen, das Jotham gegen seinen eingeschworenen Feind auslegte?
Über sich die warme Sommersonne, setzte David seinen Weg auf der belebten Hauptstraße fort. Sie schlängelte sich parallel zur Küste von Ugarit zu Städten wie Jericho und Megiddo, folgte einem Fluss, der in ein totes Meer mündete. Ein bedeutender Verkehrsweg für Reisen und Handel, eine Lebensader, die, so hieß es, die Ägypter einschlagen würden, sollten sie jemals einen Überfall in Erwägung ziehen. Aus diesem Grunde waren Ugarits mächtigste Mauern nach Süden zu mit bewehrten Türmen bestückt. Obwohl Ägypten unendlich weit weg war, spukte den Kanaanitern ständig die Bedrohung im Kopf herum.
Zwei Monate zuvor war David bei der Bruderschaft vorstellig geworden, um sich eintragen zu lassen und in Erfahrung zu bringen, ob er auch ohne Bürgen Mitglied werden könne. Das sei nicht möglich, hatte man ihm erklärt, Ausnahmen würden nicht gemacht. Daraufhin hatte David das Haus des Schwagers seines Onkels Manthus aufgesucht, dort aber feststellen müssen, dass der Juwelenhändler zu einer längeren Reise nach Goshen aufgebrochen war, wo man dem Vernehmen nach Smaragde gefunden hatte.
Jetzt, zwei Monate später, grübelte er noch immer, wie er weiter vorgehen sollte. Dabei war ein noch wichtigerer Grund hinzugekommen, der Bruderschaft beizutreten – würdig zu sein, Leah zu bitten, seine Frau zu werden.
Ein Sklave eilte ihm entgegen. »Meister Elias schickt nach dir«, keuchte er. »Es ist dringend.«
Hannah entstieg ihrem Reinigungsbad, das das Ende ihrer allmonatlichen Zurückgezogenheit anzeigte. Der Gedanke, ihr normales Leben im Kreise der Familie wiederaufzunehmen, erfüllte sie diesmal nicht mit Freude. Ein weiterer Mondzyklus, eine weitere Enttäuschung. Sie wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, ihrem Ehemann einen Sohn zu schenken. Und kein Wort aus Damaska. Keine Ehemänner für ihre Töchter.
Sie hatte vorgeschlagen, ihrer im Norden beheimateten Schwester zu schreiben, schon weil dieser Zweig der Familie über genügend Männer verfügte. Aber Avigail hatte abgelehnt. Hannah entstammte keiner angesehenen Blutlinie, ihre Verwandten bauten Datteln an und hatten nicht viel Geld. Avigail pflegte Heiratskandidaten ausschließlich in ihrer eigenen Familie zu suchen, die sich vor drei Generationen mit dem allseits beliebten König Ozzediah verwandtschaftlich verbunden hatte. Hannah stritt keineswegs ab, dass ihre Schwiegermutter von hoher Herkunft war, aber konnte man es sich unter den gegebenen Umständen leisten, wählerisch zu sein?
Bedauerlicherweise pflichtete Elias in diesem Punkt seiner Mutter bei. Auch wenn er ansonsten seiner Frau keine Bitte abschlagen konnte, stand er, wenn es um die Bedeutung der Blutlinie ging, unter dem Einfluss seiner Mutter.
»Mama!« Esther kam angerannt. »Mama! Ein Vetter aus Damaska ist angekommen! Ein Ehemann für Leah!«
Gekleidet in den Gewändern Calebs aus Damaska, des Mannes, den er ermordet hatte, saß der Flüchtige aus Sidon auf dem Ehrenplatz in der Empfangshalle und ließ sich von einem Sklaven die Füße waschen.
»Shalaam,
und willkommen in der Familie, mein Sohn!«, sagte Elias, der Hausherr, überschwänglich.
»Der Segen der Götter sei mit euch«, erwiderte der falsche Caleb und lächelte selbstgefällig. Die Villa war größer als erwartet. Weiträumiger und luxuriöser. Von der Straße aus hatte er reiche Weinberge gesehen; eine Armee von Sklaven, so schien es ihm, kümmerte sich um die reifenden Trauben. Und jetzt wurde er wie ein König behandelt. Der Flüchtige aus Sidon konnte sein Glück kaum fassen.
Eine rundliche ältere Frau mit braunem Haar kam auf ihn zu, goldene und silberne Ringe schmückten ihre Stirn. Offenbar war sie die Hausherrin namens Avigail, von der der betrunkene Caleb gesprochen hatte.
»Shalaam,
Caleb«, sagte sie. »Die Götter sind mit uns. Ich hoffe, deine Reise ist ohne Zwischenfälle verlaufen. Wie geht es meiner Cousine?«
Der Flüchtige schöpfte aus dem Quell der Informationen, die er in der Nacht zuvor gesammelt hatte. »Sie schickt dir Grüße, Em Elias. Ihre Gicht macht ihr nicht mehr so arg zu schaffen, und der Dattelanbau ihres Ehemanns entwickelt sich prächtig.«
Avigail
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