Im Auge des Feuers
hinterlässt allzu hässliche Flecken auf der Haut.« Sie hatte nach der Speisekarte gegriffen und sich bereits entschieden. »Ich habe wirklich einen Bärenhunger. Was nimmst du?«
Er blieb die Antwort schuldig. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass Mona erst vor drei Minuten angekommen war. In dieser Zeit hatte sie ausgesucht, was sie essen wollte, und die Jodflecken sowie den Schnitt an seinen Fingern entdeckt. »Das Gleiche wie du«, sagte Eira einfältig.
Sie hatte ein herzförmiges Gesicht und eine winzige Kerbe am Kinn. Wenn sie lächelte, bildeten sich zwei kleine Grübchen in den Wangen, genau drei Punkte, durch die man ein gleichseitiges Dreieck ziehen konnte. Jetzt ließ sie das Gesicht in ihren Händen ruhen und sah ihn mit blauen Augen an, die im Kontrast zu dem schwarzen, glatten Haar noch heller wirkten. »Du wolltest über etwas reden?«
Er verschränkte seine gelb gefleckten Hände und sortierte seine Gedanken. »Was lässt einen Menschen zum Pyromanen werden?«
»Du meinst, warum manche Menschen vorsätzlich einen Brand legen?«
Eira nickte. »Kann zum Beispiel ein Kindheitstrauma später, im Erwachsenenalter, zu solch einer Tat führen? Oder … liegt so ein Verhalten von Geburt an in der Persönlichkeit verankert?« Er fand es schwierig, seine Fragen zu formulieren, aber sie schien ihn ausgezeichnet zu verstehen.
Mona kaute bedächtig. »Ein Brandstifter ist nicht immer ein Pyromane«, begann sie langsam. »Pyromanie ist eine Verhaltensstörung, wenn du willst, nenn es eine ›Krankheit‹, genauso wie Kleptomanie. Das Entscheidende ist, dass der Betreffende nie in Raserei Feuer legt, um zum Beispiel etwas zu rächen oder ein Verbrechen zu vertuschen. Ein Pyromane fühlt den Drang zum Feuer . Er muss Feuer legen. So jemand ist erregt, wenn er nur daran denkt. Nichts anderes motiviert ihn. Und anschließend, wenn der Brand ausgebrochen ist, fühlt sich der Pyromane eigenartig befreit oder entladen.«
»Also fast wie beim Sex.«
»Vielleicht.« Sie senkte den Blick. »Du hast nach dem Persönlichkeitstyp gefragt. Ein Pyromane ist oft ein Einzelgänger. Etwas asozial, wenige Freunde, vielleicht eine schwierige Kindheit.«
»Per passt sehr gut auf diese Beschreibung, findest du nicht?« Eira drehte seine Tasse zwischen den Händen.
Sie nickte. »Brandstifter der anderen Kategorie bezeichnen wir nicht als Pyromanen. Das ist jemand mit Problemen anderer Art, aber eben keiner, der das Feuer an sich anbeten würde. Dieser Typus legt aus Wut Feuer, sei es, um sich zu rächen oder um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Sehr oft haben solche Menschen eine schwierige Kindheit hinter sich. Wurden beispielsweise jahrelang vernachlässigt. Das ist meistens der Fall, wenn die Eltern mit Suchtproblemen kämpfen.« Mona sah Eira forschend ins Gesicht, wie um zu prüfen, ob er ihr noch folgen konnte.
Einige Minuten lang aßen sie schweigend. Dann griff Eira das Gespräch wieder auf. »Also, Mona, sag mal: Egal ob wütender Brandstifter oder feueranbetender Pyromane – der Betreffende kann also jeder x-Beliebige sein und im Alltag scheinbar gut funktionieren?«
»Bis zu einem gewissen Grad, ja.«
Eira zögerte. »Meine Gedanken kreisen immer wieder um den Brand von neulich. Die Motive konnten wir noch nicht eindeutig ermitteln.« Dann strich er sich durchs Haar. »Übrigens habe ich eine Aufgabe für dich.«
Er trank einen Schluck Wasser. »Ich habe eine Verabredung für dich getroffen.« Als Mona Lie die Augenbrauen hob, fuhr er fort: »Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lassen würdest.«
Sie lachte verwirrt. »Schön, schön. Um was geht’s denn?«
»Dr. Moe ist ein pensionierter Arzt. Er hat wahrscheinlich die umfangreichste Praxiserfahrung hier in der Stadt. Könntest du mit ihm gemeinsam ein paar Berichte durchsehen? Der Stapel liegt bereits auf meinem Schreibtisch. Es sind lauter Akten von 1950 bis 1970, und es geht um kriminelle Kinder oder Jugendliche. Ihr sollt herausfinden, welche dieser Fälle etwas mit Brandstiftung zu tun haben.«
Mona war alles andere als begeistert. »Zu der Zeit gab es keine Computer, Aslak. Auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie war damals nicht sonderlich gut entwickelt. Und hier im Norden noch weit weniger als im Rest des Landes.«
Er vergaß die Jodflecken und legte seine Hand auf ihre. »Na, dann werdet ihr umso schneller vorwärtskommen. Ich wusste, dass du Ja sagen würdest.«
Sie wischte sich den Mund mit der Serviette ab. In ihren Augen lag ein
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