Im Auge des Feuers
meiner Wohnung und wartet dort auf mich. Der arme Kleine.«
Der Ton, in dem sie über seinen Sohn sprach, brachte Eira zur Weißglut. »Zieh deine Klamotten an und mach, dass du rauskommst, bevor ich dich eigenhändig vor die Tür setze.« Er atmete tief ein. »Das war das letzte Mal, dass du alleine hier aufgetaucht bist.«
Selbst im Dunkeln sah er, dass ihre Augen schmal wurden. »Ich frage mich, was Niillas sagen wird, wenn ich ihm das hier zeige.«
Victoria griff mit beiden Händen nach ihrem Pulli und riss ihn entzwei.
»… wenn ich ihm erzähle, dass du versucht hast, mich zu vergewaltigen! Dass du mich vom ersten Augenblick an hinter seinem Rücken angebaggert hast! Glaubst du, er wird auf die Idee kommen, dass ich das hier selbst getan habe?«
»Er wird kein Wort davon glauben.«
»Oh doch, Aslak. Das wird er. Einige gut verpackte Andeutungen über dein Interesse an mir haben ihn sowieso schon misstrauisch werden lassen.«
Eira sah rot vor Wut, aber kam nicht dazu zu antworten.
Sein Handy piepte und brachte ihn wieder zur Besinnung. Die Polizeidienststelle teilte ihm mit, dass Vennestad bereits mehrmals versucht hatte, ihn zu erreichen. Während des Schneeschaufelns hatte sein Handy im Auto gelegen. Jetzt steckte er es zurück in die Hosentasche. Dann wandte er sich erneut Victoria zu, die gelangweilt mit einer langen Haarsträhne spielte.
»Ich hab da einen Vorschlag«, sagte er müde. »Teste doch einfach deine Hypothese. Finde heraus, wie weit er dir glaubt.«
Innerhalb von Minuten war sie verschwunden. Die Tür knallte hinter ihr zu.
Eira sank auf einen Stuhl und griff sich an den Kopf. Würde sie ihre Drohung wahrmachen? Wie würde Niillas dann reagieren? Sollte er ihn lieber warnen? Was würde dieses Biest noch alles mit seinem Sohn anstellen?
Er stand auf und schob alle Gedanken an Victoria und Niillas beiseite. Der Junge würde schon selbst auf sich aufpassen. Im Moment musste Eira sich um einige andere Dinge kümmern, und vielleicht war der Job gerade jetzt einfach nur eine willkommene Abwechslung.
Er holte sein Handy heraus und wählte Rita Fjelds Nummer. Keine Antwort. Eira fuhr zur Haftanstalt. Johan Fjeld hatte hier insgesamt vier Wochen Untersuchungshaft abzusitzen.
Mit seinem flotten Trikot und der lässigen Jogginghose hätte Johan beinahe als Werbefigur für Seniorensport eingesetzt werden können. Elegant schwang er sich vom Fahrradergometer.
Eira staunte nicht schlecht. Der Mann hatte sich wohl innerhalb weniger Tage gleich mehrere Kilos weggestrampelt. Zum ersten Mal konnte man die Umrisse eines Halses über dem Hemdkragen erahnen.
»Rita? Die habe ich nur ein einziges Mal gesehen, seit ich hier bin. Da ging es um Dokumente im Zusammenhang mit der Erbteilung. Sie kommt nur hierher, wenn es zwingend notwendig ist.«
»Ist es denn ihre Art, weit wegzufahren, ohne vorher Bescheid zu geben?«
Johan zögerte. »Worauf wollen Sie hinaus? Sie hasst es zu fliegen und wird schnell seekrank. Da fährt sie schon lieber Auto. Am allerliebsten aber bleibt sie zu Hause in ihrer Wohnung.«
»Sie geht nicht an ihr Handy.«
»Ach, Eira. Es ist ja auch erst vierundzwanzig Stunden her, seit Sie zuletzt von ihr gehört haben, oder? Rita und ihr Handy, das ist etwas kompliziert. Sie lässt den Akku meistens komplett leer werden und dann vergisst sie oft, das Handy nach dem Aufladen wieder einzuschalten. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie bereits dreiundfünfzig war, als sie sich ihr erstes Handy angeschafft hat. Sie kann einfach nicht richtig damit umgehen.«
Johan nahm einen kräftigen Schluck aus einer Mineralwasserflasche, schraubte sie wieder zu und wirbelte sie gekonnt durch die Luft. »Lassen Sie meine Schwester in Ruhe, Eira. Sie trinkt etwas zu viel. Es geht ihr zurzeit nicht besonders gut. Ich kenne sie. Wenn ihr eine Sache über den Kopf wächst, zieht sie sich zurück. Und manchmal fährt sie in solchen Situationen zu unserer Hütte in Hella. Aber sie übernachtet nie dort. Sie wird schon wieder auftauchen. Ich mache mir jedenfalls keine Sorgen.«
»Könnte Rita vielleicht aus irgendeinem Grund Jens Eide aufgegabelt haben, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war?«
Johan verschluckte sich und hustete lange. » Jens Eide? Das können Sie vergessen. Rita reagierte schon damals absolut allergisch auf die beiden Brüder, als sie ihr Lager hinter dem Bürogebäude aufschlugen.«
»Sie haben mal erwähnt, dass Jens’ Bruder, Frank, ein ziemlich attraktiver Typ
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