Im Auge des Feuers
waren genauso elegant wie die allzu sommerlichen, in denen sie ein paar Stunden zuvor herumstolziert war. Rita beobachtete einen Moment, wie Gunhild über den festgetretenen Schnee schritt, dann setzte Rita das Auto langsam in Bewegung und behielt sie weiterhin im Auge.
Gunhild lief nur einige hundert Meter. Am Strandtorget winkte sie ein freies Taxi heran und setzte sich schnell auf dessen Rückbank. Sofort fuhr der Wagen los. Rita folgte ihm mit ausreichendem Abstand.
Auf den Straßen herrschte um diese Uhrzeit wenig Verkehr und die Fahrt dauerte noch nicht einmal zehn Minuten. Als das Taxi anhielt und Gunhild bezahlt hatte, hämmerte Ritas Herz.
Gunhild war auf dem Weg zu Johan.
Rita parkte ein Stück entfernt und ließ Gunhild keinen Moment aus den Augen. Im schummrigen Licht der Straßenlaternenwarf Gunhild einen unruhigen Schatten auf die weiße Hauswand. Ihre Bewegungen waren schnell und etwas steif, der Kopf gesenkt, ihre Arme lagen eng am Körper an.
In den Fenstern zum Wohnzimmer und zur Küche brannte Licht, während der erste Stock komplett dunkel war. Das bedeutete, dass Johan zu Hause war und im Wohnzimmer saß, wahrscheinlich in Gesellschaft seiner Whiskeyflasche.
In Ritas Augen war Johan kein richtiger Kerl, sondern feige und verklemmt. Er lieferte nur allzu oft Belege für seine jämmerliche Neigung, anderen immer nach dem Mund zu reden. Ein erbärmlicher Opportunist. Er hatte sich früh angewöhnt, in unangenehmen Situationen immer andere vorzuschieben. Das versuchte er momentan auch mit Rita.
An dem Tag, als Karls Leiche beseitigt werden musste, hatte Johan ausnahmsweise mal selbst mit angepackt. Aber das war auch bloß wieder ein weiterer Ausdruck seiner Feigheit gewesen. Johann hatte panische Angst gehabt, sie hatte dem schwächlichen Mann plötzlich Riesenkräfte verliehen. Jedenfalls Kraft genug, um die Leiche ins Auto zu bugsieren und etwas später den Hang hinaufzuziehen.
Rita sah Gunhild Wikan um die Hausecke in Richtung Eingangstür verschwinden. Nach zehn Minuten war sie noch nicht wieder zurückgekommen. Sie musste hineingelassen worden sein. Was Gunhild bei Johan wollte, war Rita unbegreiflich. Sie mussten eine Verabredung haben. Jemanden, den man kaum kannte, besuchte man um diese Zeit nicht zu Hause, ohne sich vorher abgesprochen zu haben.
Rita blieb bei abgeschaltetem Motor sitzen und durchforschte fieberhaft ihr Gehirn nach einem glaubwürdigen Grund, jetzt dort hineinzugehen. Sonst erschien sie ja nie um diese Uhrzeit bei Johan.Es würde auffällig wirken und offenbaren, dass sie spioniert hatte. Johan war zwar nicht der Hellste, aber in diesem Fall würde er sicherlich stutzig werden.
Rita saß immer noch unentschlossen im Auto, als Gunhild plötzlich wieder um die Ecke bog und schnell in einer Seitenstraße verschwand.
Rita schloss das Auto ab und ging mit hastigen Schritten zu dem halbdunklen Haus. Sie wollte gerade klingeln, als ihr Nancy entgegenkam.
»Ich wollte eben nach Hause gehen.« Nancy zwinkerte verwirrt mit den Augen.
Rita ärgerte sich wie immer über Nancys Unterwürfigkeit. »Keine große Neuigkeit, Nancy. Das machst du ja dreimal die Woche.« Sie stürmte durch die Tür. »Wer war hier zu Besuch?«
Nancy zwinkerte wieder. »Besuch?«
»Die Frau, die gerade das Haus verlassen hat.«
»Wovon redest du, Rita?« Johan war in die Diele herausgetreten und hatte sich hinter Nancy gestellt. Er sah gut gelaunt aus, seine Wangen waren leicht gerötet und er hatte den Krawattenknoten gelockert.
»Von der Frau, die ich hier herein- und vor nur einem Moment auch wieder herauskommen gesehen habe.« Ihr letztes Quäntchen Geduld war verflogen. Rita fauchte ihren Bruder förmlich an.
Johan winkte ab. »Ach, sie! Die heimliche Geliebte, die hier täglich gegen 22 Uhr hereingeschmuggelt wird und dann lautlos wieder verschwindet.« Seine Hand landete auf Ritas Schulter. »Es ist ein großer Trost festzustellen, dass nicht nur ich etwas durch den Wind bin. Meine liebe Rita – niemand war hier heute Abend zu Besuch.«
Rita sah ihn an und ihr wurde plötzlich eiskalt. Johan wirkte ausnahmsweise glaubwürdig. Sie schüttelte seine Hand ab und trat ins Wohnzimmer. Nur eine Kaffeetasse, ein Whiskeyglas. Sie gingweiter in die Küche, die nach Putzmittel roch. Alles sauber und aufgeräumt, keine Spuren davon, dass hier jemand soeben bewirtet worden wäre. Dann lief sie hoch in den ersten Stock und wusste nicht mal mehr so recht, warum. Es gab nirgends auch nur ein
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