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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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genommen. Johan wusste nicht recht, wonach sie suchten. Die Todesursache hatten sie ja bei der Obduktion festgestellt. Karl war vergiftet worden, so einfach war das. Wer hätte beweisen können, dass Karl das, woran er gestorben war, nicht aus freien Stücken zu sich genommen hatte? Der verdammte Kopf zerstörte jedoch alles. Nun zog nichts mehr. Weder die Geschichte vom natürlichen Tod eines Wanderers noch die Selbstmordtheorie.
    Johan war so aufgebracht gewesen. Sein Bruder war in einem der Schlafzimmer seines Hauses gestorben. Er machte keinen Hehl daraus, dass er die Leiche dringend hatte loswerden wollen.
    Vermutlich wäre es nun am besten, die Karten auf den Tisch zu legen und zu gestehen, dass er ihn dort ins Gebüsch geschleift hatte. Die Erklärung war einfach: Er hatte es getan, um ihn aus dem Haus zu schaffen. Damit könnten die Ermittlungen vorangebracht werden, ohne dass Johan selbst im Zentrum stünde. Denn es war offensichtlich, dass er spätestens dann der Hauptverdächtige sein würde, wenn bekannt würde, dass Karl in seinem Haus gestorben war.
    In einem Punkt würde Johans Version allerdings haken: Er hatte bisher nicht gemeldet, dass Karl bei ihm aufgetaucht war und hier übernachtet hatte.
    Rita behauptete wieder einmal, er sei ein Idiot. Ihrer Meinungnach hätte er sich gleichgültig stellen und unmittelbar nach Karls Tod die Polizei rufen sollen. Trotzdem hatte sie ganz und gar nicht protestiert, als er sie um Hilfe gebeten hatte. Ganz im Gegenteil. Sie hatte sich alles Weitere ausgedacht – die Sache mit der Wanderkleidung und wohin sie ihn bringen sollten. Sie war eiskalt und durchtrieben. War sie womöglich noch einmal ins Gebirge gefahren, um dem toten Karl den Kopf abzuhacken? Ein Alibi hatte sie sicherlich nicht. Rita wohnte allein, hatte kaum Freunde und ging selten aus.
    Seitdem Rita das Testament aufs Tapet gebracht hatte, waren seine Gedanken darum gekreist. Er war immer davon ausgegangen, dass das Erbe zu gleichen Teilen an ihn und Rita gehen würde und niemand sonst berücksichtigt würde. Etwas anderes wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Bis Rita ihm zornig an den Kopf geschleudert hatte, dass möglicherweise Überraschungen zu erwarten seien. Wusste sie etwas, was er nicht wusste? Hatte sie den Vater oder die Dokumente manipuliert? Eines war klar: Der Vater hatte sich noch einmal sein Testament vorgenommen, als er krank geworden war. Zu wessen Vorteil?
    Den Keller mied Johan konsequent. Allein der Gedanke daran ließ ihn schaudern. Dort standen Berge von altem Gerümpel und in einem Raum hatte sich der Vater eine Art Büro eingerichtet. Johan hatte seinen Fuß nicht mehr dorthin gesetzt, seit er sechs Jahre alt gewesen war.
    Er hatte an diesem Tag mit seinen Geschwistern Verstecken gespielt. Johan hatte sich als Versteck einen der Vorratsräume ausgesucht, ein furchtbar gruseliges Kabuff mit dunkelbraunen Wänden. Es roch nach feuchtem Schimmel. Ganz oben an der Wand war ein kleines Fenster, das jedoch kaum Licht hereinließ. Später hatte sein Vater den Raum dann zum Büro umfunktioniert.
    Während der kleine Johan im Stockfinsteren saß und standhaft versuchte, seine Angst zu unterdrücken, hantierte jemand von außen am Türschloss. Er hörte mit stockendem Atem, wie der Schlüssel sachte gedreht und herausgezogen wurde. Johan war eingeschlossen.
    Erst spät am Abend war er gefunden worden. Niemand hatte auf sein Rufen reagiert und keinem war es seltsam vorgekommen, dass er so lange nicht erschienen war.
    Der Schuldige meldete sich nicht. Sein Vater behauptete sogar, Johan habe selbst die Tür von innen abgeschlossen und dann den Schlüssel verloren. Rita schwor, dass sie nie freiwillig in den Keller hinuntergehen würde. Und Karl hatte seine Geschwister nur wortlos angesehen.
    Seitdem war Johan also nicht mehr im Keller gewesen. Als Karl aufgetaucht war, hatte er nach dem Testament gefragt. Früher hatte der Vater es im Kellersafe deponiert. Aber in den letzten Jahren hatte er glücklicherweise Vernunft angenommen und es bei seinem Anwalt hinterlegt.
    Johan holte die Kellerschlüssel und setzte sich ins Wohnzimmer. Ihm war nur zu bewusst, wie absurd es war, dass einem erwachsenen Mann beim Gedanken an einen alten Keller die Knie schlotterten.
    Nach zwei kräftigen Drinks fühlte er sich der Aufgabe schon eher gewachsen. Er hatte schon länger die Absicht gehabt, die Sachen des Vaters zu sortieren. Nur hatte er bisher noch jedes Mal einen guten Vorwand gefunden, es nicht zu

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