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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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fragen. »Kommen wir
jetzt zu den Küchenschaben«, sagte ich dann.
    »Ach, jedes alte Haus hat seine
Schaben«, meinte Denny. »Vielleicht waren sie in einem Schrank, der bis dahin
nie geöffnet worden war. Oder sie kamen mit irgendeinem Lieferwagen.«
    »Oder sie wurden absichtlich
hergeholt«, warf Stephanie ein.
    »Du versuchst nur, Unruhe zu stiften,
Steff.«
    »Verdammt, Denny. Patsy und ich halfen
Evans beim Putzen der Küche. Wir haben alle Schränke und Regale ausgewischt und
keine Schaben oder Eier gefunden.«
    »Vielleicht habt ihr ein paar
übersehen. In dieser Küche gibt es eine Million kleiner Verstecke.«
    Es klang, als hätten sie sich über
dieses Thema schon früher gestritten. Es würde uns nicht weiterbringen. So
sagte ich: »Vergessen wir die Küchenschaben für eine Weile, und unterhalten wir
uns über die Puppe, die Jessamyn fand.«
    Meine Worte hatten eine seltsame
Wirkung. Denny sah unbehaglich aus, Stephanie senkte den Blick auf eine
angeschlagene Untertasse auf dem Tisch. Schließlich fragte sie: »Was soll mit
ihr sein?«
    »Die meinten Sie doch, als Sie vorhin
sagten, hier spuke es?«
    Eine Pause. »Ja.«
    »Beunruhigt Sie auch, nicht wahr,
Denny?«
    Der große Mann nickte nur.
    Ich dachte an die Puppe, ein billiges
Stück aus Plastik, das man auf jedem Trödelmarkt finden konnte. Und die Lumpen,
die sie getragen hatte — sie stammten von einem alten Küchenhandtuch oder etwas
Ähnlichem. Neutral betrachtet, hatte die Puppe nichts Beängstigendes an sich,
und doch waren alle beunruhigt gewesen. Die ganze Sache sah nach eiskalter
Berechnung aus.
    »Wie hat Jessamyn reagiert, als sie die
Puppe fand?« fragte ich. »Sie war völlig außer sich. Sie kam schreiend und
weinend angerannt. Sie dachte, Andrew hätte es getan. Sie sagte immer wieder: ›Mom,
das ist wieder einer von Andrews seltsamen Scherzen.‹« Andrew. Ich dachte über
meinen Neffen nach. Patsy hatte sich beschwert, daß er seit dem Umzug auf die
Insel so verschlossen und mißgelaunt geworden sei. »Spielt er seinen Schwestern
oft solche Streiche?«
    »Nun...« Denny sah von mir weg. »Das
Kind ist ein wenig — aus der Art geschlagen.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Vielleicht fragen Sie lieber seine
Mutter.«
    Das würde ich ganz bestimmt tun.
»Irgendeine Vorstellung, wer die Puppe in den Baum hängte? Hätte es tatsächlich
Andrew sein können?«
    »Er sagt nein, und wir glauben ihm.
Außerdem sieht die Geschichte nicht nach einem Kind als Täter aus. Es ist zu...«
    »zu abscheulich«, ergänzte Stephanie.
    »Haben Sie sonst eine Idee, wer es
gewesen sein könnte?«
    Keiner von beiden sah mich an.
Schließlich murmelten sie: »Nein.«
    Mein Kaffee war ausgetrunken, ich hatte
keine Fragen mehr. Ich bedankte mich, spülte die Tasse im Ausguß aus und machte
mich auf die Suche nach Angelas Büro.
     
    Das Untergeschoß war auf seine Weise
auch beeindruckend — wie die Kulisse für einen Horrorfilm. Der königsblaue
Teppich hörte am Ende der Treppe auf und damit aller Anspruch auf Eleganz. Der
Parkettfußboden war noch zerkratzter als im Eßzimmer, und beim Durchgang zur
Bar waren manche Bretter krumm und rissig. Eine Ansammlung von Eimern und
Töpfen stand dort, halbvoll mit Wasser. Ein Teil der Decke hatte nachgegeben,
und von den alten eisernen Wasserleitungen darunter tropfte es rhythmisch.
    Die Bar nahm fast die ganze Länge des
Hauptflügels ein. Das einzige Licht fiel durch die Fenstertüren. Wegen der
Beschaffenheit des Geländes lag das Untergeschoß auf der Rückseite zu ebener
Erde. DieTerrassentüren führten auf eine plattenbelegte Terrasse ähnlich der
vor dem Eßzimmer. Am einen Ende des dämmrigen Raums stand eine massive
geschnitzte Bartheke aus Rotholz mit einem zerbrochenen Spiegel dahinter. Ein
einsamer Billardtisch mit zerrissenem grünem Filz und ein Musikautomat aus den
fünfziger Jahren ohne Glas oder Platten waren die einzigen anderen Gegenstände
im Raum. Vom Fenster aus hatte man einen Blick auf einen französischen Garten,
dessen Rabatten und Hecken jetzt verwildert und von Unkraut überwuchert waren.
    Mir kam der Gedanke, ob meine Schwester
und ihre Freunde sich wirklich über die unglaubliche Arbeit klar waren, die sie
in dieses Projekt stecken mußten — Arbeit und Geld. Die Kücheneinrichtung
allein würde viele tausend Dollar verschlingen. Ich hatte erst kürzlich meine
eigene renoviert und wußte, was die Dinge kosteten. Vermutlich waren die
elektrischen Leitungen in keinem besseren

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