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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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niemand.«
    »Vielleicht möchte jemand das Land zu
anderen Zwecken haben.«
    »Es gab noch ein Angebot für die Insel,
aber es war zu niedrig, es wurde nicht akzeptiert.«
    »Können Sie herausfinden, von wem es
stammte?«
    »Natürlich.« Angela zog einen
Notizblock heran und machte sich eine Notiz.
    »Ich brauche noch eine andere
Information: Können Sie mir Namen und Adressen der Arbeiter geben, die nicht
mehr zur Arbeit gekommen sind?«
    »Ja, aber warum?«
    »Ich möchte mich mit ihnen
unterhalten.«
    Angela langte nach der Kartei. »Ich
helfe Ihnen gern, aber ich bezweifle, daß Sie etwas erfahren.«
    »Warum?«
    »Ich kenne das Delta und Locke sehr
gut. Mein Großvater wohnt dort. Deshalb wollte ich auch hier arbeiten, um ihn
im Auge behalten zu können. Jedenfalls, es ist eine verschworene Gemeinde. Die
meisten Leute sind alt und wollen mit Fremden nichts zu tun haben. Sogar die
jüngeren, die hier gearbeitet haben, blieben schön unter sich.«
    »Trotzdem muß ich es versuchen.«
    »Natürlich.« Sie begann Namen und
Adressen aufzuschreiben. »Setzen Sie auch Ihren Großvater auf die Liste. Dann
habe ich einen wohlgesinnten Kontaktmann in Locke. Vielleicht kann er die
Arbeiter überreden, sich mit mir zu unterhalten, falls ich es nicht schaffe.«
    »Ja, in Ordnung.«
    Sie schrieb weiter, und ich sagte zu
ihrem gebeugten Kopf, Ȇbrigens, haben Sie heute morgen meine Schwester schon
gesehen?« Sie hob den Kopf und sah mich überrascht an. »Hat es Ihnen niemand
gesagt?«
    »Was?«
    »Es hat einen Unfall gegeben, nichts
Ernstes«, fügte sie hinzu, als sie meinen besorgten Gesichtsausdruck bemerkte.
»Andrew streunte draußen herum, gegen halb acht, als es gerade hell wurde. Er
stürzte auf der Treppe, die hinunter in den Garten führt, und Patsy und Evans
brachten ihn nach Rio Vista zum Arzt. Möglicherweise hat er sich den Arm
gebrochen.«
    »Wieso habe ich von der Aufregung
nichts mitbekommen?«
    »Dort, wo Sie schlafen, kann man
Geräusche von der anderen Seite des Hauses nicht hören. Und Patsy wollte Sie
nicht wecken. Sie bat Neal, es Ihnen zu erzählen. Er hat es offensichtlich
vergessen.«
    Ich war entsetzt. »Was wollte Andrew
denn um diese Zeit draußen?«
    Sie reichte mir die Namenliste. »Andrew
ist ein wenig... na ja, er streunt herum und ist schwer zu lenken. Er sagte, er
spiele Detektiv wie Tante Sharon.« Zum erstenmal erschien sie mir unsicher. Ein
Schatten flog über ihre zarten Züge.
    »Was meinte er damit?«
    »Er behauptete, er habe jemanden
verfolgt. Während Evans ihn zum Wagen trug, rief er immer wieder: ›Der
verrückte Alf kriegt uns alle!‹«

6
     
    Ich stieg in meinen Wagen und fuhr zur
Anlegestelle der Fähre. Auf mein Hupen tauchte Max Shorkey — der im Morgenlicht
mehr denn je wie ein Pirat aussah — aus der Holzhütte auf der anderen Seite auf
und machte die Fähre los, um mich zu holen. Während der Überfahrt fragte ich
ihn, in welcher Verfassung Andrew gewesen sei, als er Patsy, Evans und die
Kinder hinüberbrachte. Er erklärte, Andrew sei sehr still gewesen, aber die
Mädchen hätten das durch ihr Lärmen wieder wettgemacht. Patsy und Evans waren
aufgeregt gewesen, hatten aber nicht den Kopf verloren. Nachdem ich von der
Fähre heruntergefahren war, gab mir Max eine Straßenkarte des Deltas und zeigte
mir den Weg nach Walnut Grove und Locke. Die Straße zog sich entlang des toten
Wasserarms hin. Zu beiden Seiten wuchsen Binsen und niedrige Büsche. An manchen
Stellen war der Deich mit Sandsäcken geflickt — eine düstere Mahnung an die
Flutkatastrophe vor zwei Jahren. Aber an einem so sonnigen Morgen wie diesem
fiel es einem leicht, derartige Zeichen der Zerstörung zu übersehen. Die Straße
führte jetzt durch Felder und Obstgärten, durch kleine Ansammlungen von Ulmen
und Weiden und dann über eine gekrümmte Brücke.
    Etwas weiter entfernt standen vier
kleine weiße Häuser mit eigener Anlegestelle unter schattigen Bäumen, und ich
dachte plötzlich, wie schön es sein müßte, hier zu leben, ohne den Lärm der
Großstadt, ohne den Haß und die Feindseligkeit, die ich in meinem Beruf immer
wieder erfuhr. Ich verscheuchte diese Vorstellung als lächerlich. Es wäre nur
wieder eine neue Fluchtmöglichkeit gewesen, sich nicht mit dem auseinandersetzen
zu müssen, was in meinem Leben nicht stimmte.
    Walnut Grove, das einen bedeutenden
Hafen besessen hatte, ehe der Lastertransport modern geworden war, lag
unterhalb der hohen Deichstraße und zog sich bis zum Ufer

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