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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Das Haus sieht sehr
fest aus; wenn Sie ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen, könnten Sie ganz
unbesorgt sein. Morgen wissen wir vielleicht schon Genaueres, und wenn nicht,
so wird das Wetter höchstwahrscheinlich in den nächsten paar Tagen jeden
Versuch, sie zu belästigen, verhindern.«
    »Wieso ein paar Tage?« fragte ich.
    »Ich fürchte, das war nur der erste
Sturm einer ganzen Kette.«
    Ein paar andere stöhnten nun auch auf.
»Mein Gott, wir werden die Bootsrampe nie fertig bekommen, wenn der Regen nicht
aufhört«, sagte Denny.
    »Was macht das schon?« bemerkte
Stephanie erbittert. »Wir haben sowieso keine Boote mehr.«
    Ma stand auf und sah sich suchend nach
seinem Ölzeug um. Stephanie ging hinaus, um es zu holen. Denny zog seine
Windjacke wieder an und fragte; »Wie können wir Verbindung mit Ihnen aufnehmen?
Das Telefon ist gestört.«
    »Morgen früh dürfte es wieder in
Ordnung sein, soviel ich gehört habe. Es ist keilt schwerer Schaden. Man
arbeitet bereits daran. Ich rufe Sie sowieso an, um Sie von dem Fortschritt
unserer Ermittlungen zu unterrichten. Und wenn es wieder eine Unterbrechung
gibt, komme ich persönlich her.« Ma wandte sich zu mir um. »Und Sie sollten
sich jetzt besser ausruhen, Miss McCone.« Denny begleitete den Hilfssheriff zur
Fähre und kehrte etwa eine Viertelstunde später mit dem Arzt zurück — einem
schmächtigen, zänkischen Mann, der sich beschwerte, daß Patsy ihn bei einem
solchen Wetter hatte holen lassen. Dann nörgelte er an mir herum, weil ich in
einem solchen Zustand war, maß meine Temperatur und gab mir eine Spritze mit
Antibiotika ins Gesäß. Er steckte Patsys großzügige Bezahlung ein und hackte im
Hinausgehen auf Denny herum, weil die Überfahrt mit der Fähre so bewegt gewesen
war.
    Dann trug Evans mich hinauf in mein
Zimmer, ohne auf meinen Protest zu hören, daß ich gehen könnte. Ich war zu
benommen und müde, um zu bedauern, daß ich das Essen versäumte, das verspätet
im Eßzimmer serviert wurde. Nachdem Patsy mich zugedeckt hatte, kamen alle drei
Kinder herein und küßten mich und überzeugten sich, daß Tante Sharon doch nicht
tot war. Ich hätte schwören können, daß Andrew etwas ärgerlich war, weil ich
ihm die Schau gestohlen hatte. Aber vielleicht war es nur Einbildung. Dann
gingen alle hinaus, und ich war endlich allein.
    Ich schlief schnell ein, und lange Zeit
war es ein sanfter Schlaf, traumlos, fließend. Dann begann ich zu träumen, von
häßlichen Formen und Gestalten: Birnenbäume griffen mit ihren krummen Zweigen
ärgerlich nach mir, die Pfähle der alten Transportbahn tauchten auf, dann Max’
durchweichte Leiche. Wellen leckten an meinen Füßen und drohten mich zu
verschlingen. Dunkle Wolken jagten mich, der Regen peitschte. Ich schreckte auf
und döste ein und wachte immer wieder kurz auf. Ich hörte Stimmen. Zuerst
konnte ich sie nicht verstehen, und als es mir schließlich gelang, hallte ihr
Echo in meinem Kopf nach: das Auge des Orkans. Du bist genau im Auge des
Orkans.
     
     
     

12
     
    Der Sonntagmorgen war kalt und feucht.
Ich verkroch mich tiefer unter die Decken. Das Bett war weich und angenehm. Ich
bewegte mich vorsichtig, denn alle Muskeln und Gelenke schmerzten. Immer wieder
schluckte ich, damit das kratzige Gefühl im Hals verschwand, doch es ging nicht
weg. Aber es wurde auch nicht schlimmer. Schließlich stand ich auf und zog den
wollenen Bademantel an, den jemand freundlicherweise für mich hingelegt hatte.
Dann zog ich die Vorhänge auf und blickte hinaus.
    Dicker weißlicher Nebel verhüllte die
Insel. Man konnte keinen Meter weit sehen. Er legte sich wie Blei auf meine
Nerven.
    Seit ich erwacht war, hatte ich
versucht, mich nur auf meine körperlichen Probleme zu beschränken. Jetzt
kehrten die Ereignisse des Vortags in mein Bewußtsein zurück, und ich wußte,
daß ich mich bald mit ihnen auseinandersetzen mußte. Vor weiteren Grübeleien
bewahrte mich das Klopfen an der Tür. Da ich niemanden sehen wollte, lief ich
ins Badezimmer, stellte die Dusche an und rief: »Wer ist da?«
    Die Zimmertür öffnete sich, und Patsy
rief: »Ich bin’s. Ich bring dir Kaffee und möchte wissen, was du zum Frühstück
willst.« Frühstücken! Der Magen drehte sich mir um. »Ich kann nichts essen!«
    Ich ließ Bademantel und Nachthemd
fallen und stellte mich unter die Dusche. Ich machte viel Lärm und stöhnte, als
das warme Wasser die Platzwunde am Kinn traf.
    »Du mußt doch essen, Sharon!« rief
Patsy.
    »Ich werde

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