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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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bemuttert
mich schon genug.«
    »Ich möchte nur nicht, daß Sie sich
erkälten und eine Lungenentzündung kriegen.«
    »Mir geht es gut, wirklich.«
    Neal nickte und starrte lange in den
leeren Kamin.
    »Warum machen Sie kein Feuer?« fragte
ich.
    »Es macht zuviel Mühe. Außerdem haben
dieser Kamin hier und der im Wohnzimmer denselben Abzug, und der Schornstein
wurde noch nicht gekehrt. Zwei Feuer könnten gefährlich sein.«
    »Sie sollten ihn wirklich kehren
lassen.«
    »Ich weiß. Aber Angela sagt, wir können
es uns nicht leisten.«
    Ich fing an, mich über die Art von
Ausgaben zu wundern, die für dieses Unternehmen gemacht wurden. Sie hatten
genug Geld für einen Computer und die Renovierung der Empfangsräume. Evans
hatte eine ganz moderne Kücheneinrichtung bestellt, zwei neue Boote, die erst
zur nächsten Saison nötig gewesen wären, waren gekauft worden und schon wieder
verloren. Am Freitag hatte Patsy noch mehr Tapeten und Gardinen in Auftrag
gegeben. Aber der Schornstein wurde nicht gekehrt, die Leitungen im
Untergeschoß leckten.
    Wieviel Kontrolle hatte Neal über
Angela, die die Schecks ausstellte? Oder über die Leute, die diese
extravaganten Dinge bestellten, wie Denny, Evans, Stephanie, meine Schwester?
Ich hätte ihn gern deswegen gefragt, aber ich hatte das Gefühl, das Thema würde
ihn entweder entsetzlich nervös oder völlig unzugänglich machen. Das beste
würde sein, die anderen vorsichtig auszuhorchen und dann Neal gegebenenfalls
direkt zur Rede zu stellen.
    Im Augenblick hatte ich aber auch wegen
der Bibliothek ein paar neugierige Fragen. »Warum wurde dieser Raum nicht
renoviert, Neal?« fragte ich. »Er ist wunderschön.«
    Seine Züge hellten sich auf. »Nicht
wahr? Ich glaube, deswegen habe ich die Insel überhaupt nur gekauft. Die Bücher
— es gibt Sammler und Händler, die würden viel darum geben, wenn sie hier
reinkönnten. Man hat es auch schon versucht. Aber der Besitzer hatte
testamentarisch festgelegt, daß die Bücher zum Haus gehören. Das war mein
Glück.«
    »Der Besitzer — das war Stuart Appleby?
Der sich umbrachte?« Neal straffte sich. »Ja. Er hat sich in diesem Zimmer
erschossen. Der Makler erzählte mir, er hätte sowieso nicht mehr lange gelebt —
Krebs. Vor dem Kamin, unter dem Teppich, ist noch ein Blutfleck im Holzboden.
In der Wand konnte man noch die Einschlagstelle einer Kugel sehen, weil er beim
erstenmal danebenschoß. Denny hat sie zugegipst. Mir ist gleich, was hier
passierte. Der Raum ist trotzdem großartig.« Es klang nicht ganz echt. Immer
wieder kehrte sein Blick zu dem orangefarbenen Wollteppich zurück, der vor dem
Kamin lag und überhaupt nicht hereinpaßte. Neals Beteuerung, daß ihm die
Vorfälle in der Bibliothek gleichgültig seien, überzeugte mich nicht.
Vielleicht liebte er die Bibliothek tatsächlich, aber ich spürte auch, daß ein
Teil ihrer Anziehungskraft mit den morbiden Gedanken an Stuart Applebys
Selbstmord zusammenhing. Vielleicht war das der Grund, warum er abschloß. Dann
konnte er allein hier drin sitzen und grübeln. Bei seinem labilen psychischen
Gleichgewicht eine unbehagliche Vorstellung. Um mich abzulenken, fragte ich:
»Was sind das für Bücher?«
    »Es ist alles mögliche da.
Hauptsächlich Belletristik, Klassiker, eine Menge über den alten Westen,
Seegeschichte und viel Zeug über Gartenbau. Schränke und Schubladen sind voll
alter Spiele und Spielsachen und solchem Zeug.«
    Die Klassiker interessierten mich nicht
besonders. Aber der Inhalt der Schubladen und Schränke schien faszinierend zu
sein.
    »Hätten Sie was dagegen, wenn ich mal
ein wenig darin herumkramte?«
    Er wandte ruckartig den Kopf zu mir um
und starrte mich mißtrauisch an. »Warum? Sie glauben doch nicht, daß irgend
etwas in diesem Zimmer mit Max und dem, was passiert ist, zu tun hat?«
    »Nein. Mir gefällt der Raum einfach,
und alte Sachen interessieren mich. Oben unter dem Dach ist auch so ein Zimmer —
eine Abstellkammer, die ich gern erkunden würde.«
    Einen Augenblick lang musterte er mich
forschend, als wolle er sich überzeugen, daß ich es ehrlich meinte, dann sagte
er: »Natürlich können Sie sich alles ansehen. Ich habe nichts dagegen.« Er
stand auf, raffte den Bademantel um sich und marschierte auf die Tür zu. Auf
halbem Weg drehte er sich um und fragte mit angespanntem Gesicht: »Hat Denny
Ihnen verboten, sich die Abstellkammer anzusehen?«
    »Nein.«
    »Hat irgend jemand versucht, Ihnen
vorzuschreiben, was Sie tun oder lassen

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