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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Das ist besser, als in so eine
schäbige Notunterkunft zu ziehen. Bleiben wir hier zu Hause.«
    »Ich dachte, es gefiele dir hier
nicht.«
    Andrew zuckte die Achseln. »Es ist alles,
was wir haben.«
    Evans nickte. »Okay, so soll es dann
wohl sein. Danke dir.« Zu uns gewandt, fügte er hinzu: »Patsy und Andrew und
ich sind dafür zu bleiben.«
    »Ich gehe nicht weg«, erklärte Neal,
»und ich glaube, Denny und Stephanie auch nicht.«
    »Mein Flug ist erst am Sonntag«, sagte
Sam.
    Ich wünschte, ich wäre nie nach Appleby
Island gekommen, doch ich wußte, ich würde bleiben. Weil ich die Wahrheit
herausbekommen wollte. Das war schon immer so gewesen, solange ich denken
konnte. »Ich bleibe auch«, sagte ich.
     
     
     

19
     
    Eigentlich hatte ich mir die
Schreibmaschine und die Rechnungsformulare noch einmal ansehen wollen, doch auf
dem Weg hinauf fiel mir die Abstellkammer unter dem Dach ein. Wenn man
bedachte, was ich in der Bibliothek gefunden hatte, sollte ich den Kram dort
oben wirklich etwas genauer unter die Lupe nehmen. Obwohl ich den Inhalt der
Appleby-Briefe nur oberflächlich mit den Ereignissen auf der Insel in
Zusammenhang bringen konnte, verriet mir mein durch die jahrelange Arbeit
geschulter Instinkt, daß es eine tiefergehende Verbindung gab. Wer weiß, ob ich
in der Abstellkammer nicht weitere Hinweise fand.
    Die Abstellkammer war unverschlossen.
Das einzige Licht kam von einer nackten Glühbirne an der Decke, doch es genügte
für meine Zwecke. Ich setzte mich auf einen zusammengerollten Teppich neben ein
paar Kartons, die voll ausgefranster Handtücher und alter Baumwollstores waren.
Daneben lagen kaputtes Porzellan, alte Kaminbestecke und gläserne Türknaufe.
    Ein alter Kinderwagen lehnte schief an
der Wand, seine Federn waren auf der einen Seite gebrochen. Er enthielt eine
abgegriffene Häkeldecke aus einem verblaßten Rosa, und ein weiches Stofftier,
wohl ein Lamm. Hinter dem Kinderwagen eingeklemmt stand eine Spielzeugschachtel
mit altem Kinderspielzeug. Darunter war eine Spieluhr aus rotem Plastik, die
man von Hand aufziehen konnte. Darauf saß ein schäbiger Plüschaffe. Ich zog sie
auf. Sie spielte »Pop Goes the Weasel«, und der Affe tanzte dazu auf und ab.
    Mir wurde wehmütig ums Herz. Wem die
Spieldose wohl gehört hatte? Wahrscheinlich Stuart Applebys Tochter, die bei
einem Autounglück ums Leben gekommen war. Vorsichtig legte ich sie wieder in
die Schachtel.
    Ich setzte mich auf das andere Ende des
Teppichs. Hier roch es stark nach Moder. Neben mir lag ein riesiger
Stoffhaufen. Ich kramte lustlos darin herum, die zerdrückten und staubigen,
teils fleckigen Tischtücher, Kopfkissen, Decken, Arbeitsanzüge und Hauskleider
hoben meine Stimmung nicht gerade.
    Plötzlich hielt ich ein gelbes
Tischtuch in der Hand. So gelb wie das Kleid der Puppe, die am Baum gehangen
hatte. Hastig durchwühlte ich den Haufen weiter — und dann fand ich die Reste
des Tischtuchs, aus dem das Kleid für die Puppe geschnitten worden war. Auch
ein paar Stecknadeln lagen noch da, die gleiche Sorte, wie sie zum
Zusammenstecken des Kleides benutzt worden war. Ich rollte die Stoffreste
zusammen, steckte ein paar Nadeln hinein und schob alles in meine Hosentasche.
    Ich ging noch einmal zur
Spielzeugschachtel und betrachtete mir die Puppen, die zwischen dem anderen
Zeug darin lagen. Da war eine mit einem Porzellankopf und Schlafaugen, die
sicherlich einen großen Sammlerwert besaß. Dann eine Lumpenpuppe mit nur einem
Bein und schließlich am Boden eine Plastikpuppe mit dunklerer Haut in einem
Lederanzug. Es war das Pendant zu der, die im Baum gehangen hatte.
    Ich stand da und überlegte, warum man
ihr Lumpen angezogen hatte. Dann fiel mir ein, daß Alf Zeisler, der Einsiedler,
auch in Lumpen gegangen war. Die Person, die die Puppe angezogen hatte, hatte
die wahren Begebenheiten so weit wie möglich nachstellen wollen.
    Die Person, die sie angezogen hatte — sie
mußte Zugang zum Haus haben, zu diesem Raum. Sie war eine von uns. Mein Fund
bestätigte nur, was ich bereits befürchtet hatte.
    Nach einem Augenblick setzte ich mich
wieder auf den Teppich und überlegte. Wer hatte Zugang zu diesem Raum gehabt?
Nur die Hausbewohner? Wie stand es mit den Arbeitern? Immerhin hatten sie im
Haus gearbeitet, aber ich bezweifelte, daß sie irgend etwas mit der Puppe zu
tun hatten. Dann war da natürlich noch Max Shorkey. Aber soviel ich wußte, war
er selten zum Haus gekommen. Sam konnte ich von vornherein auslassen,

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